Raumschiffe, Saurier und Nazis: die Effekte in "Iron Sky: The Coming Race"

Der Nazi-Klamaukfilm "Iron Sky: The Coming Race" läuft in den Kinos. Wir sprachen mit dem Effektstudio Pixomondo über die Effekte des Crowdfunding-Projekts.

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Raumschiffe, Saurier und Nazis: die visuellen Effekte in "Iron Sky: The Coming Race"

Pixomondo erweckte für den FIlm "Iron Sky: The Coming Race" in Stuttgart und Frankfurt unter anderem Dinosaurier zum Leben.

Lesezeit: 10 Min.

Seit die Science-Fiction-Komödie "Iron Sky" 2012 ins Kino kam, steht der Titel für klamaukige Nazi-Satire mit Kultfaktor und erstklassigen visuellen Effekten. Nun ist der zweite Teil in den Kinos zu sehen. c't sprach mit VFX-Supervisor Adam Figielski vom Effektstudio Pixomondo, das für den Film Dinosaurier, Mondbasen und Raumschiffe zum Leben erweckte.

heise online: Um kurz die Brücke zum ersten Film zu schlagen: Worum geht es in der Fortsetzung "Iron Sky: The Coming Race"?

Adam Figielski: Über zwanzig Jahre ist es her, seit die Mond-Nazis im ersten Teil angegriffen haben. Die Erde ist mittlerweile ein unbewohnbarer Ort, von einem Atomkrieg verwüstet. Die letzten Überlebenden der Menschheit flüchteten auf die ehemalige Mondbasis der Nazis, doch der Mond droht auseinanderzubrechen. Dies ist der Beginn eines verrückt-absurden Abenteuers, in dem es darum geht, die Menschheit zu retten.

heise online: Und Sie arbeiteten an den visuellen Effekten. Vor welchen kreativen Herausforderungen standen Sie dabei?

Figielski: Wie immer war – trotz Crowdfunding, langer Finanzierungsphase und langer Produktionszeit – der Anspruch enorm hoch. Wir mussten tief in die VFX-Trickkiste greifen. Wir ließen Atombomben auf Washington fallen, Alien-Raumschiffe in den Mond krachen, eine Verfolgungsjagd mit Dinosauriern und Schlachten im Weltall entstehen. Trotzdem war es ein Riesenspaß, denn wir waren schon bei der Preproduction dabei und entwickelten zum Teil die Geschichte mit. Das ist eher ungewöhnlich und war nicht nur kreativ und technisch hilfreich, sondern auch emotional wichtig.

heise online: Wie viele Leute haben an den Effekten gearbeitet und wie viel Material kam dabei zusammen?

Figielski: Das Gesamtbudget betrug etwa 15 Millionen Euro. Wir haben seit 2014 mit Unterbrechungen an dem Projekt gearbeitet. An den visuellen Effekten waren über 200 Leute beteiligt, um ungefähr 40 Minuten Film zu produzieren. Im Einzelnen waren das 433 VFX-Shots, für die wir 205 Hero-Assets und 60 Digital-Doubles erzeugt haben. Mehr als 55.280 Einzelbilder wurden für den Film gerendert.

heise online: Was muss man sich unter solchen Hero-Assets vorstellen?

Figielski: Das sind für uns digitale Pendants der Sets, die im Film eine große Rolle spielen und daher einen hohen Qualitätsstandard erreichen müssen. Etliche Sets erstellten wir als vollständige digitale Umgebungen: einen Mondbasis-Hangar, den zerstörten Mond, den Vestal-Hangar, den Vrill-Tempel, einen Dschungel, die hohle Erde, Teile von Washington D.C. und die unterirdische Stadt Agartha. Für sie haben wir riesengroße Türme gebaut, die aussehen wie versteinerte Bäume. Auf ihnen befinden sich kleinere Assets wie Pflanzen, Tiere und anderes.

Für die unterirdische Stadt Agartha entstanden riesengroße Türme, die aussehen wie versteinerte Bäume.

heise online: Welche Software haben Sie für Modelling, Animation, Texturierung und Rendering eingesetzt?

Figielski: Beim Modeling unterscheidet man generell zwischen zwei Arten: Hardsurface-Modeling und Organic-Modeling. Während es beim Hardsurface-Modeling um die Erstellung von Objekten geht, die im wahren Leben industriell gefertigt worden wären, geht es beim Organic Modeling um organische Formen. Darunter fallen bei Iron Sky zum Beispiel die Dinosaurier. Ein Großteil der Hardsurface-Modelle entstand in 3d Studio Max, was bis 2014 unsere primäre 3D-Software war. Inzwischen sind wir vollständig auf Maya umgestiegen. Für organische Modelle haben wir häufig ZBrush benutzt. Animation entstehen bei uns schon seit je her mit Maya, wobei wir die fertigen Animation im Alembic-Format exportiert, und in 3d Studio Max mit Vray gerendert haben. Zum Texturieren kommt bei uns neben Photoshop vor allem Mari zum Einsatz.

heise online: Wie lange dauert es, über 55.000 Bilder zu berechnen?

Figielski: Wenn es 55.000 Bilder in den finalen Film geschafft haben, bedeutet das, dass wir auf dem Weg ein Vielfaches an Bildern berechnen mussten. Ein Bild in 2K-Auflösung auf einem einzelnen Computer zu berechnen dauert zwischen 30 Minuten und 10 Stunden. Geht man jetzt davon aus, dass jedes Bild mehrfach gerendert werden muss, bis man zum finalen Ergebnis gelangt, und das nach dem 3D Rendering nochmals etliche 2D-Renderings im Compositing dazu kommen, vervielfacht sich die Renderzeit.

heise online: Unterhält Pixomondo eine eigene Renderfarm oder haben Sie bei Amazon oder anderen Dienstleistern Renderzeit hinzugekauft?

Figielski: Wir haben eine eigene Farm in Stuttgart mit 287 Nodes unterschiedlicher Ausrichtungen. Je nach Anforderung können wir GPU-, CPU- oder RAM-starke Maschinen ansteuern. Auch die anderen Facilities haben auf ihren eigenen Farmen gearbeitet.

heise online: Sie haben Dinosaurier zum Leben erweckt. Was für welche haben Sie da gebaut?

Figielski: Unser Meisterstück war der T-Rex, auf dem Udo Kier alias Adolf Hitler ritt. Der T-Rex heißt übrigens Blondie. Dann hatten wir noch vier verschiedene Triceratopse, unsere Pferde beim Dino-Rennen, die unterschiedliche Charaktere hatten: Einer war eher gemütlich, ein anderer sehr impulsiv und aggressiv. Solche Kleinigkeiten kann man im Film entdecken.

Der größte war ein Brontosaurier. Die Außerirdischen Vrill sind mit einem Raumschiff auf der Erde gestrandet und die Brontosaurier ziehen dieses Schiff ins Erdinnere. So entsteht die unterirdische Stadt. Außerdem hatten wir Raptoren. Sie haben bei uns keine Federn, weil wir uns an den Sehgewohnheiten des Publikums orientiert haben.

Für das Dinosaurierrennen in Iron Sky 2 entwarf Pixomondo vier Triceratopse mit jeweils unterschiedlichen Charakteren.

heise online: Was unterscheidet eine Filmproduktion über Crowdfunding von einer großen Studio-Produktion?

Figielski: Im Vergleich zu einer Hollywood-Produktion ging es eher familiär zu. In großen Studios gibt es so viele Entscheider, da sind wir gar nicht so sehr involviert worden. Für mich war das Besondere, dass der Regisseur Timo Vuorensola uns früh an Bord geholt hat und wir am Drehbuch mitgearbeitet haben. Wir hatten einen direkten Draht zum Regisseur, er kam nach Stuttgart und wir haben beraten, was man spannender oder günstiger gestalten kann.

heise online: Wie muss man sich diese kreative Arbeit vorstellen?

Figielski: Vor den Dreharbeiten galt es, eine Prävisualisierung der kompliziertesten Sequenzen zu erstellen. So wurden zum Beispiel die Dino-Verfolgungsszenen animiert, geschnitten, mit dem Kreativteam besprochen, mehrmals umgeworfen und so lange verfeinert, bis der Regisseur mit Tempo, Timing, und Komposition zufrieden war. Danach ging es an die technische Planung des Drehs. Hier war eine Techviz extrem hilfreich, um die Möglichkeiten am Set optimal nutzen zu können.

heise online: Waren Sie auch beim Dreh dabei?

Figielski: Ja, wir waren während der Dreharbeiten über einen Monat mit der Crew unterwegs, um mit dem Regisseur kreative Fragen zu besprechen. Wir hatten 60 digitale Doubles der Schauspieler erstellt. In Action-reichen Szenen wie im Dinosaurierrennen ließen wir die digitalen Doubles statt der Schauspieler durch die Luft fliegen.

Wir waren auch dabei, damit wir alle Daten bekommen: Kameralinsendaten, die Größe des Sets und Referenzbilder vom Set und den Schauspielern. Außerdem haben wir den Kameramann und den Regisseur in technischen Fragen beraten, beispielsweise wie ein Greenscreen beleuchtet wird.

heise online: Was gibt es denn beim Greenscreen zu klären?

Figielski: Wenn zu viel Licht auf den Greenscreen fällt, reflektiert das Grün, und wenn die Gesichter grün sind, können wir mit den Aufnahmen nichts anfangen. Auch Falten im Greenscreen führen zu Problemen. Wir hatten eines der größten Greencreen-Sets in Europa mit, ich glaube, 260 Metern Länge.

Beim Dreh für Iron Sky: The Coming Race kam eine der größten Greenscreen-Bühnen Europas zum Einsatz.

heise online: Wofür wurde eine derart große Bühne gebraucht?

Adam Figielski: Vor allem die Dinosaurier brauchten viel Platz, auch wenn sie nur digital eingebaut wurden. Beim Dinosaurierrennen beispielsweise gab es Streitwagen, die am Set auf Laufbändern fuhren. Es gab aber auch Streitwagen, die von Quads gezogen wurden. Das Studio war allerdings nicht unendlich lang. In der Techviz haben wir ermittelt, wie schnell ein Quad im Studio fahren und wie die Kamera die Szene einfangen kann.

In der ersten Szene mit dem T-Rex bricht dieser durch eine Tür und zertrampelt vier Menschen. Am Set haben wir genau festgelegt, wie weit die Kamera entfernt stehen muss, um den fünf Meter hohen T.Rex einzufangen, außerdem, in welcher Sekunde welcher Komparse umfallen muss. Wir haben Pieptöne abgespielt, an denen sich die Komparsen orientieren konnten und wussten, wann der T.Rex sie erreicht hatte. Man spielt solche Geschichten vor dem Dreh durch, weil am Set jede Sekunde Geld kostet.

In der Prävisualisierungsphase klärte das Effektteam von Pixomondo die Größenverhältnisse von T. Rex Blondie.

Im Studio positionierte das Produktionsteam die Kamera, um den Fünf-Meter-T-Rex digital einbauen zu können.

In seinen VFX-Studios in Stuttgart und Frankfurt arbeitete Pixomondo die Prävisualisierung zu einem fotorealistischen Effekt aus.

heise online: Die Produktion ist vermutlich international aufgestellt. Gab es Herausforderungen bei der Zusammenarbeit?

Figielski: Teams in Finnland, Deutschland und Belgien waren beteiligt. Die Effekte wurden komplett in Deutschland gemacht: In Stuttgart und Frankfurt bei Pixomondo, in Berlin bei Movie Brats. Die haben wir hinzugezogen, weil wir am Ende zu wenig Zeit hatten, um den Film nur bei Pixomondo fertigzustellen, und sie haben super Arbeit geleistet. Inzwischen stellen solche Kooperationen auch über mehrere Zeitzonen hinweg keine größere Hürde mehr da, da wir digital alle sehr gut angebunden sind.

heise online: Nazi-Klamauk ist gerade in Deutschland ein heikles Thema. Wie gehen Sie damit um?

Figielski: Der Film ist eine Satire. Mit einer starken, farbigen Hauptdarstellerin. Die Nazis stehen negativ da und es wird deutliche Kritik geübt. Für uns ist es auf jeden Fall ein Powerfrauen-Film.

heise online: Wird es einen dritten Teil geben?

Figielski: Bei der Premiere in Helsinki hat Timo Vuorensola einen dritten Teil angeteasert, genaueres wissen wir jedoch noch nicht.

heise online: Vielen Dank für das Gespräch. (akr)