Nicht mehr alles über einen Kamm

Smart Farming soll die Landwirtschaft effizienter und umweltverträglicher machen. Was ist dran an dem Hype? Eine Bestandsaufnahme.

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Nicht mehr alles über einen Kamm

Industrielle Landwirtschaft in großem Stil. Durch Smart Farming soll sie künftig Unterschiede in Pflanzenwachstum und Bodengüte berücksichtigen.

(Bild: Alf Ribeiro/ Fotolia)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Katja Scherer

An den 16. Juli 2018 erinnert sich Johannes Paas noch sehr genau. Eigentlich wollte der Landwirt an jenem Tag gar nicht aufs Feld fahren. Es würde eh noch Tage, wenn nicht gar Wochen dauern, bis sein Weizen erntereif war, glaubte er. Dann aber warf er einen Blick auf die Satellitenkarte seiner Felder, die er seit Kurzem regelmäßig bekommt. Tiefrot wurde das Feld dort angezeigt – offenbar stand der Weizen durch den trockenen Sommer schon in voller Reife. Paas schwang sich auf den Traktor und ging nachschauen. Zum Glück, sagt er rückblickend: „Hätte ich wie üblich länger gewartet, wäre alles vertrocknet. Das war für mich ein richtiger Aha-Moment.“

Der 38-Jährige sitzt im Esszimmer seines Elternhauses und öffnet seinen Laptop. Schon seit über 250 Jahren betreibt seine Familie in Ratingen bei Düsseldorf Landwirtschaft; inzwischen aber mit ganz neuen Methoden. Johannes Paas klickt sich am Rechner durch eine Reihe von Satellitenaufnahmen. Blau, weiß oder grün eingefärbt: seine Felder aus der Luft. Woche für Woche kann er so zurückverfolgen, wie sich seine Ackerfrüchte entwickelt haben. Seit gut zwei Jahren testet der Landwirt die Software „My Data Plant“ des Marktforschungsunternehmens Kleffmann. Die Karten sollen ihm helfen, seinen Betrieb mit weniger Aufwand besser im Blick zu haben. „Es hat zwar eine Weile gedauert, bis alles funktioniert hat. Inzwischen bin ich von der Software aber begeistert“, sagt Paas.

Die Menschheit wächst, guter Boden wird knapper, und gelöst werden kann dieses Dilemma nur durch smartere Anbaumethoden – so argumentieren die Befürworter von Smart Farming. Ob mit Satellitenbildern, Drohnen, Robotern oder Sensoren: Die Erfassung großer Datenmengen soll die Landwirtschaft präziser und nachhaltiger machen. Von den neuen Methoden profitieren auch Öko-Landwirte, vor allem aber die konventionelle Landwirtschaft, deren negative Folgen – etwa die Überdüngung – mit Smart Farming abgemildert werden sollen.

Die Hoffnungen sind also groß. Doch noch ist die Euphorie um die neue Technologie oft größer als ihr tatsächlicher Mehrwert. Denn das Zusammenspiel von Boden, Pflanzen, Dünger, Wetter, Schädlingen und weiteren Faktoren auf dem Acker ist äußerst komplex – und smarte Technologien können bisher nur wenige der notwendigen Daten erfassen und auswerten. Das macht ihre Empfehlungen für die Landwirte oft deutlich ungenauer als erwünscht. Und: Selbst wenn die Technologien mittelfristig dazu beitragen können, dass weniger Herbizide und Pestizide auf dem Feld landen und weniger Dünger im Boden versickert, so bleiben zahlreiche andere Probleme der großflächigen Landwirtschaft ungelöst. In puncto Nachhaltigkeit bleibt der Ökoanbau überlegen.

Dem Hype um Smart Farming schadet das nicht. Kaum eine Landwirtschaftsmesse, auf der nicht wenigstens eine Drohne herumschwirrt oder ein mit Sensoren bestückter Traktor übers Feld tuckert. Die Anwendungen reichen dabei von vernetzten Bienenstöcken über digitale Kartoffeln bis hin zu Drohnen, die Rehkitze aufspüren.

(ksc)