.org-Domains: Tausende protestieren gegen Aufhebung der Preisschranken

Ist die Registry einer Top-Level-Domain ein Monopolist oder nicht? Darüber und über Preisobergrenzen für .org, .info und .biz streitet die ICANN.

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Verschlüsselung, Binär, Daten, Kryptographie

(Bild: Gerd Altmann, Public Domain (Creative Commons CCo))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Um 10 Prozent jährlich darf die Registry der .org-Adresszone, Public Interest Registry (PIR), ihre Preise erhöhen. So sieht es der zuletzt 2013 erneuerte Vertag zwischen PIR und der ICANN vor. Jetzt soll diese vertraglich fest gelegte Preisobergrenze fallen, und zwar, erklärt Michele Neylon, Chef des irischen Domainanbieters Blacknight, schlicht deshalb, weil die ICANN die älteren den zuletzt neu eingeführten TLDs gleichstellen will. Für die 2012 eingeführten neuen Adresszonen von .berlin und .hamburg bis .guru verzichtete die private Netzverwaltung auf Preisobergrenzen. Der Markt mit vielen neuen TLDs sollte stattdessen für Konkurrenz sorgen.

Wer seit 30 Jahren im Netz unter einer .org-Domain zu erreichen ist – seit 1985 gibt es die TLD – kann das durchaus anders sehen. Ein Umzug zu einer der vielen neuen TLDs ist wenig attraktiv. Weil die Betroffenen sich .org-Domains nicht einfach bei einer anderen Registry beschaffen können, müssten sie von PIR vorgenommene Preiserhöhungen daher tragen. Der entsprechende Passus im neuen Vertrag erlaubt den eigentlichen Domainverkäufern, ISPs oder Domainregistraren, ihren Kunden noch einmal die Erneuerung ihrer .org-Registrierung für einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren zum alten Preis anzubieten.

Das beruhigt aber die virtuelle Volksseele kaum. Mehrere tausend der insgesamt 10 Millionen .org-Domaininhaber laufen bei der noch anstehenden schriftlichen Konsultation Sturm gegen den Verzicht der ICANN, unbeschränkte Preiserhöhungen zu ermöglichen. Auch das Gremium, das die nicht-kommerziellen Interessen innerhalb der ICANN Selbstverwaltung vertritt, arbeitet an einer kritischen Stellungnahme, deren Entwurf vorsieht, mindestens eine Überprüfung der neuen Praxis nach Ablauf der halben Vertragslaufzeit zwischen ICANN und PIR einzubauen.

Besonders scharf ins Gericht geht überdies Nat Cohen, Vorstandsmitglied der Internet Commerce Association, einer US-Lobbyorganisation von Domainern und Domainregistraren. In mehreren Artikeln warnt er, PIR könnte angesichts steigender Kosten ihrer Nutznießerin, der Internet Society, daran interessiert sein, langjährige .org-Domaininhaber zu melken. Die ISOC hatte 2002 den Zuschlag für den Betrieb von .org bekommen und ist seither von einer Miniorganisation mit einer Handvoll Mitarbeiter zu einer ausgewachsenen, über 100 Mitarbeiter zählenden Lobbyorganisation für das Internet angewachsen.

Was sollte, so ätzte Cohen, PIR davon abhalten, 200 Dollar pro .org-Domain pro Jahr zu verlangen und damit den .org-Nutzern 2 Milliarden abzupressen? Immerhin habe PIR 2017 mehr an ISOC ausgeschüttet, als man erwirtschaftet habe, nämlich 74 Millionen. Das zeige, wohin die Reise gehen könne.

Gegen Cohens Argumentation spricht freilich, dass PIR schon in den vergangenen Jahren die Preise deutlich stärker hätte erhöhen können. Von 2002 bis heute stieg der Registrypreis für .org-Domains von 6 Dollar auf 9,93 Dollar, obwohl der Vertrag mit ICANN eine jährliche Erhöhung um 10 Prozent erlaubt hätte.

Zwar sei die .org-Domain als ursprüngliche Adresszone „gewissermaßen Teil der Gewohnheiten der Endbenutzer“ im Netz, anerkennt Werner Staub, Sekretär des Registrar-Registrykonsortiums CORE. PIR habe aber sicherlich kein Interesse, die Preise so weit zu erhöhen, dass die Kunden abzögen. Zugleich könnten aber schon kleine Preiserhöhungen positive Effekte haben, schätzt Staub. Einerseits machen sie die Domain unattraktiv für Kunden, die Domains massenweise horten. Domains mit Wegwerfpreisen zögen nachweislich mehr missbräuchliche Verwendungen an, meint er.

Andererseits ließe sich – abgesehen von den durchaus im Sinne der globalen Netzgemeinde positiven Projekten der ISOC, etwa von neuen Internet Exchange Punkten in afrikanischen Ländern bis zur besseren Verbreitung von Verschlüsselung – das eingespielte Geld für technische Innovationen im Domaingeschäft selbst einsetzen. Staub sagt: „Geringe Preise von Domains sind nicht die Lösung. Endbenutzer brauchen bessere Dienste, die es ermöglichen, informiert zu navigieren und Verantwortlichkeit zu erkennen. Das braucht ein paar technische Fortschritte." PIR könne da ein Trendsetter sein. Einmal hat PIR schon Trendsetter gespielt: es führte 2010 als eine der ersten großen Registrys DNSSEC ein. (bme)