Fragen & Antworten: IP-Kameras

IP-Kameras spielen in der vernetzten Sicherheitstechnik eine immer größere Rolle. Wir antworten auf die häufigsten Fragen.

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Fragen & Antworten: IP-Kameras
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Andrijan Möcker
Inhaltsverzeichnis

Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, dass die Kriminalität in meiner Gegend gestiegen ist. Jetzt habe ich Angst um mein Hab und Gut. Bringt Kameraüberwachung einen Sicherheitsgewinn?

Haus und Hof unbedacht mit Kameras zu bestücken sorgt nicht zwangsläufig für einen Sicherheitsgewinn. Eine Kamerainstallation sollten Sie vorab gründlich durchdenken: Zunächst prüfen Sie, ob es wirklich einen Kriminalitätsanstieg gibt und ob dieser Einbrüche betrifft. Das können Sie beispielsweise bei Ihrer örtlichen Polizeidienststelle erfragen – auf gar keinen Fall sollten Sie dabei auf die lokale Gerüchteküche vertrauen.

Hinzu kommt, dass andere Maßnahmen wie zusätzliche Schutzmechanismen an Fenstern eventuell viel mehr bringen als eine Kamera. Viele Einbrecher lassen sich abschrecken, wenn das Eindringen ins Gebäude zu lange dauert. Auch hier haben Polizei und Versicherungen meist sinnvolle Tipps.

Wer glaubt, mit einer unüberlegt installierten Überwachungskamera sein Sicherheitsgefühl steigern zu können, den trügt der Glaube: Die vorherrschende Angst kann auch dazu führen, dass Sie permanent den Drang verspüren, per Kamera zu kontrollieren, ob alles „in Ordnung“ ist – ein hoher Stressfaktor.

Wenn Sie wirklich besonders Schützenswertes besitzen und die Installation somit über eine einzelne Kamera an der Haustür hinausgeht, sollten Sie diese zuerst mit Ihrer Versicherung und deren Anforderung an einen Videobeweis besprechen. Eventuell muss die Installation dazu auch von einer professionellen Firma geplant und abgenommen werden.

Ich höre immer wieder von Power-over-Ethernet und dass es die Installation von IP-Kameras [1] stark vereinfacht. Warum genau ist das so?

Power-over-Ethernet (PoE) gibt genug Strom auf die Netzwerkleitung, um Geräte wie IP-Kameras und WLAN-Access-Points zu versorgen. Davon unbehelligt erfüllt das Kabel nach wie vor seinen Zweck zur Datenübertragung. Das einspeisende Element, ein PoE-Injektor oder Switch, verbleibt im Innenraum. Insbesondere im Außenbereich wo eine wetterfeste Installation unumgänglich ist, spart PoE gegenüber einer 230-Volt-Verkabelung wesentliche Kosten – insbesondere weil diese immer von einem Elektriker ausgeführt werden sollte.

Die IEEE-Spezifikationen 802.3af, at und bt legen fest, wie Power-over-Ethernet im Detail technisch umgesetzt wird, um Interoperabilität zu gewährleisten. Gelegentlich gibt es Sonderformen, die bei 24 Volt arbeiten. Sofern Sie eine PoE-fähige Kamera ohne Injektor kaufen, sollten Sie im Datenblatt schauen, welche Spezifikation das einspeisende Element erfüllen muss. Wobei 802.3at (30 W Spitzenleistung) den Vorgänger 802.3af (15 W) mit einschließt.

Kann ich eine Indoor-IP-Kamera auch im Außenbereich aufhängen, sofern dieser einigermaßen wettergeschützt ist?

Das kann gut gehen, ist aber nicht zu empfehlen. Grundsätzlich sind Indoor-IP-Kameras nicht für die sehr hohen oder sehr niedrigen Temperaturen gedacht. Luftfeuchtigkeit, hineingewehter Regen oder Raureif können dazu führen, dass Wasser in die Elektronik eindringt.

Noch kritischer wird es, wenn die Kamera nicht mittels Power-over-Ethernet über die Netzwerkleitung Strom bezieht, sondern nur ein Netzteil mit ein bis zwei Metern Zuleitung hat: Für 230-Volt-Installationen in Außenbereichen gelten strengere Richtlinien. IP-Kameras kommen jedoch meist mit einem Eurostecker-Netzteil, welches nicht für den Außenbereich geeignet ist.

Eignen sich kabellose, akkuversorgte IP-Kameras für einen Sicherheitszweck?

Mit günstigen Tools lässt sich eine WLAN-Verbindung stören.

Nein, Funkverbindungen sind grundsätzlich störbar. Kleine sparsame Sender wie solche in diesen IP-Kameras, können mit Leichtigkeit von anderen Sendern am Erreichen der Basisstation gehindert werden. Für sicherheitskritische Installationen sollten Kabel gelegt werden.

Reicht 100-MBit-Ethernet für eine IP-Kamera oder sollte ich dafür Gigabit-Ethernet vorsehen?

Ja, in modernen Videocodecs wie H.264 und H.265 verpackt benötigen selbst hochauflösende 4KBilder nicht einmal die Hälfte der Bandbreite. Wählt man die höchste Qualitätsstufe, senden solche Kameras zwischen 15 und 30 MBit pro Sekunde. Schwierig wird es nur, wenn Sie mehrere Kameras über einen 100-MBit-Switch an einen Netzwerkvideorekorder (NVR) anbinden wollen. Weil dieser meist alle Kameras gleichzeitig streamt, summieren sich hier die Datenraten – ist der NVR-Uplink nur 100 MBit/s schnell, ist hier nach 6 beziehungsweise 3 Kameras Schluss.

Ich habe mir eine moderne IP-Kamera mit 4K-Sensor zugelegt, die nun meinen Hof überblickt. Bei Tag macht sie gute Bilder, aber bei Nacht liegt ein Großteil im Dunkeln, obwohl die Kamera Infrarot-LEDs hat. Woran kann das liegen?

Prüfen Sie zunächst in den Einstellungen, ob Sie die Sensorempfindlichkeit und die Belichtungszeit einstellen können. Wenn Sie diese Punkte finden können, probieren Sie etwas aus, bis Sie die optimalen Parameter gefunden haben. Je höher Sie die Sensorempfindlichkeit stellen, desto höher ist jedoch auch das Bildrauschen. Viele moderne IP-Kameras haben ein Tag- und ein Nachtprofil, sodass Sie für beide Fälle die besten Bildeinstellungen wählen können.

Bringen Einstellungsänderungen nichts, sind die Infrarot-LEDs der Kamera zu schwach. Separate Infrarot-Scheinwerfer schaffen hier Abhilfe. Sie können Sie dort montieren, wo das Bild in die Dunkelheit übergeht und flexibel ausrichten. Je nach Ausstattung und Lieferumfang kosten die Scheinwerfer zwischen 5 und 80 Euro.

Warum ist ONVIF-Kompatibilität so wichtig beim Kauf von IP-Kameras?

Es gibt mittlerweile hunderte IP-Kamera-Hersteller auf dem Markt. Wenn alle ihre eigene Software-Suppe kochen würden, wären Sie bei der Auswahl von Kameras und Aufnahmegeräten und dem Abruf der Daten sehr eingeschränkt. ONVIF (Open Network Video Interface Forum) löst dieses Problem: Der Zusammenschluss von Sicherheitshardware-Herstellern spezifiert bereits standardisierte Protokolle zum Zugriff auf Video- und Audiodaten, Einstellungen, Kameramotoren und weitere Funktionen. ONVIF garantiert Ihnen, dass ein ONVIF-fähiger Netzwerkvideorekorder (Software/Hardware) Videodaten von einer ONVIF-fähigen Kamera abrufen kann – unabhängig vom Herstellernamen.

ONVIF ist eine offene Spezifikation. Hersteller müssen nicht Mitglied in der Entwicklungsgruppe sein sein, um ONVIF zu implementieren. Sie sind aber genauso wenig verpflichtet, ONVIF vollständig zu implementieren. So kann es sein, dass Kameras nur Zugang zu den Videostreams geben, Einstellungen aber aussparen. Um sicher zu gehen, sollten Sie den Hersteller oder Händler fragen.

Ich überlege, eine IP-Kamera anzuschaffen und habe gesehen, dass es welche gibt, die auf einer internen MicroSD-Karte aufzeichnen können. Ist sowas sinnvoll?

Wenn Sie die Kamera einsetzen wollen, um beispielsweise zu schauen, wann die Kinder das Haus verlassen haben, reicht eine MicroSD-Karte aus. Sie sollten darauf achten, eine höherwertige Karte zu kaufen. Das ständige Beschreiben kann billige Karten schnell zerstören.

Dient die Kamera jedoch einem Sicherheitszweck, sollten die Videodaten auf keinen Fall direkt auf der Kamera liegen. Entfernt der Einbrecher diese, sind die Daten weg und damit auch der Beweis. Zur externen Speicherung kommen meist separat weggeschlossene NAS [2] oder Netzwerkvideorekorder (NVR) zum Einsatz.

Ich möchte gerne aus der Ferne auf meine IP-Kamera zugreifen. Die Anleitung empfiehlt, einfach den RTSP-Port freizugeben. Ist das sicher?

Nein, das RTSP arbeitet bei den meisten IP-Kameras unverschlüsselt. Schneidet jemand die Login-Daten mit, kann er auf Ihre Kamera zugreifen.

Ein Weg, direkt auf die Kamera zuzugreifen, ist ein VPN-Tunnel. Durch diesen werden alle Pakete unabhängig ihres Typs verschlüsselt übertragen.

Kommt ein NVR beziehungsweise eine NVR-App (bespielsweise auf einem NAS) zum Einsatz, gibt es möglicherweise eine Smartphone-App. Dabei werden die Daten meist nicht per RTSP gestreamt, sondern per HTTPS. In diesem Fall sind Sie auch ohne VPN sicher unterwegs. Näheres verrät der Hersteller.

Ein Bekannter hat mir empfohlen, IP-Kameras einfach direkt aus China zu kaufen. Kann ich da viel falsch machen?

Auf jeden Fall! Grundsätzlich dürfen Sie vom Hersteller erst einmal nichts erwarten, denn der Preis kommt nur zustande, weil so viel wie möglich gespart wird: Rechnen Sie nicht mit (technisch kompetentem deutschsprachigen) Support, stabil laufender Firmware oder Updates – dafür aber mit einer teuren Rücksendung, wenn das Gerät defekt ankommt. Wie viel beim Kauf in Fernost eigentlich schief gehen kann, lesen Sie im Detail in unserem Artikel über die Bestellung von Elektronikgeräten aus China.

Eine durchweg laufende IP-Kamera verbraucht ja ständig Strom. Auf welche Kosten muss ich mich dabei einstellen?

Eine NVR-App wie DSCam ermöglicht das Ansehen der Aufnahmen.

Eine NVR-App wie DSCam ermöglicht das Ansehen der Aufnahmen.
Moderne IP-Kameras benötigen nicht mehr so viel Strom wie klassische analoge Überwachungskameras. Bei statischen Kameras, also solchen ohne Drehkopf, liegt der Höchstverbrauch am Tag meist bei etwa 6 Watt, in der Nacht bei 10 Watt. Kostet der Strom 30 Cent pro Kilowattstunde, kommt man so auf etwa 20 Euro pro Kamera pro Jahr.

Läuft ein NVR oder ein NAS mit, um die Daten aufzuzeichnen, geht die Installation stärker in die Kosten. Bei den meisten NAS verhindern die NVR-Apps, dass Festplatten in den Ruhezustand gehen. Sie drehen also permanent (idle/write) und das kostet Strom [3]. Hier müssen Sie sich je nach NVR oder NAS auf 50 bis 150 Euro zusätzliche Stromkosten im Jahr einstellen.

Ich habe gehört, dass WLAN-IP-Kameras das WLAN bis zur Unbrauchbarkeit stören kann. Stimmt das?

Das stimmt nur indirekt. WLAN-IP-Kameras halten sich genauso an die Senderegeln, wie Laptops und Smartphones auch. Sie stören also nicht. Je nach übertragener Videoqualität belegen sie aber nicht unerheblich Bandbreite und sorgen so dafür, dass andere Clients seltener zum Senden kommen.


  • [1] Andrijan Möcker, Netzwerkaugen, IP-Kameras ab 80 Euro ohne Cloud-Zwang, c’t 22/2018, S. 96
  • [2] Andrijan Möcker, Videoschlucker, Heimüberwachung: Videostreams mit dem NAS aufzeichnen, c’t 5/2019, S. 102
  • [3] Andrijan Möcker, Günstige Datentümpel, NAS von 90 bis 150 Euro, c’t 7/2018, S. 106