Teures Roaming an Bord von Schiffen und Flugzeugen

Unbedachte oder unbemerkte Mobilfunknutzung an Bord von Schiffen und Flugzeugen kann die Rechnung innerhalb von Stunden auf Tausende Euro treiben.

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Roaming-Gebühren

(Bild: dpa, Friso Gentsch)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Urs Mansmann
Inhaltsverzeichnis

Zwei Wochen nach der Rückkehr von der thailändischen Insel Koh Pa-Ngan kam es für Jasmin T. knüppeldick. Der Geldautomat verweigerte Ende April 2019 jede Auszahlung mangels Deckung. Bei der Prüfung des Kontos entdeckte sie, dass ihr Mobilfunkanbieter Simply rund 4100 Euro abgebucht und damit das Konto bis zum Überziehungslimit belastet hatte.

Dabei hatte Jasmin T. wirklich aufgepasst. In Thailand hatte sie ihr Handy gar nicht erst eingeschaltet, sondern zuerst bei der Ankunft am Flughafen in Bangkok eine SIM-Karte eines thailändischen Providers gekauft. Ihr Protest beim Kundenservice stieß allerdings auf taube Ohren. „Die Rechnung stimmt“, erklärte man ihr.

Die teure Verbindung war am 11. März um 20:17 Uhr entstanden, für 484 Megabyte berechnete Simply 15.165,63 Euro im Einzelverbindungsnachweis. In der Rechnung tauchte dann allerdings noch eine nicht näher spezifizierte „Gutschrift Airtime“ von 10.957,23 Euro auf, sodass unterm Strich noch 4170,29 Euro für die Verbindung zu zahlen waren. Diese eine Roaming-Verbindung war also deutlich teurer als der ganze Thailand-Urlaub, für den sie lange gespart hatte.

Zur Zeit der Verbindung saß Jasmin T. im Flugzeug der Eurowings, das aber erst um 21 Uhr startete. Das Handy benutzte sie während des Fluges nur, um vorher heruntergeladene Videos anzusehen, weil ihr die Internet-Nutzung per WLAN im Flugzeug viel zu teuer erschien. Trotzdem buchte sich das Gerät offenbar unbemerkt ein – ins Mobilfunknetz an Bord, das zusätzlich zum WLAN angeboten wird, und lud offensichtlich munter Daten herunter.

In der Werbung von Eurowings für das Roaming-Angebot werden keine konkreten Preise genannt.

Vom Flughafen ließ sich Jasmin T. bestätigen, dass der Flug erst um 21 Uhr abgehoben hatte, die Verbindung hatte also offenbar am Boden stattgefunden. Ihre Reklamation bei Simply blieb aber auch im zweiten Anlauf erfolglos.

Jasmin T. wandte sich nun an c’t und bat um Hilfe. Wir untersuchten die außergewöhnliche Rechnung und fanden schnell ähnliche Fälle. Der Branchendienst Aero Telegraph beispielsweise berichtet von einem Passagier der irischen Aer Lingus, der über 300 Dollar zahlen musste, obwohl er sein Smartphone während des Fluges von Irland in die USA nicht benutzt hatte. Die Bild-Zeitung berichtete von einem Fall, in dem ein 13-jähriger Junge nach einem Eurowings-Flug von Köln nach Punta Cana eine Handy-Rechnung von 3000 Euro bekam.

Bis vor einigen Jahren war die Nutzung des Smartphones im Flugzeug nur im Flugzeugmodus gestattet. Noch heute verbieten bestimmte Fluglinien, das Gerät überhaupt in Betrieb zu nehmen. Das ist aber schon lange nicht mehr der Standard. Immer öfter bieten Airlines während des Flugs Internetzugang per WLAN an, immer mehr Flugzeuge werden zusätzlich mit einer Mobilfunkzelle ausgerüstet, die Anrufe, SMS und Internetzugang per Mobilfunk erlaubt und die Daten per Satellit weiterleitet. In den Flugzeugmodus müssen die Geräte nur während der Start- und Landephase versetzt werden. Ähnlich ist die Lage bei Kreuzfahrtschiffen: Auch hier gibt es an Bord spezielle Mobilfunkzellen, die Roaming auf hoher See erlauben.

Allerdings dürfen solche Dienste nur während der Reise eingeschaltet sein. AeroMobile betreibt in den Flugzeugen zahlreicher Luftfahrtgesellschaften solche Mobilfunkknoten. Erst wenn das Flugzeug eine Höhe von 20.000 Fuß (rund 6100 Meter) erreicht, werden die Zellen automatisch eingeschaltet, in der Landephase schalten sie sich automatisch wieder ab, erklärte Pressesprecher Jack Gordon auf Anfrage von c’t. Nach den Regeln der Bundesnetzagentur muss die Flughöhe mindestens 3000 Meter betragen. Auch bei den Schiffen gibt es Vorschriften: Diese müssen je nach Land zwei bis vier Seemeilen von der amtlich festgelegten Basislinie der Küste entfernt sein, bevor sie ihre Anlagen einschalten dürfen.

Diese Maßnahmen sollen die terrestrischen Mobilfunknetze vor Störungen schützen. Außerdem sorgen sie dafür, dass sich niemand versehentlich in ein solches teures Mobilfunknetz einbuchen kann, beispielsweise bei einem Spaziergang im Hamburger Hafen mit Blick auf Kreuzfahrtschiffe.

Warum aber fand die Verbindung von Jasmin T. ausweislich der Rechnung über das Netzwerk des Flugzeugs noch auf dem Boden statt? Gordon vermutet, dass die Verbindung tatsächlich in der Luft stattfand und dass der deutsche Anbieter einfach die Zeitzone nicht umgerechnet hat. Die Firma sitzt in Großbritannien. Um 20:17 Ortszeit dort ist es hier 21:17 Uhr, und zu diesem Zeitpunkt dürfte der Flieger nach seinem Start um 21:01 Uhr tatsächlich ungefähr die 20.000-Fuß-Marke erreicht haben.

Eigentlich müsste sofort nach dem Einloggen in ein Roaming-Netz eine SMS mit Kosteninformationen eintreffen. Wer seine Nachrichten zeitnah liest, erfährt dann auch, dass er in einem Roaming-Netzwerk unterwegs ist und was der Spaß kostet, sofern er die üblichen Angaben in Euro pro 10 oder 50 Kilobyte im Kopf auf Megabyte umrechnen kann.

SMS mit Kosteninformationen zum Roaming kommen schon in terrestrischen Netzwerken oft mit großer Verzögerung an.

Allerdings kommen solche SMS häufig mit großer Verzögerung an. Nach eigenen Angaben hat Jasmin T. niemals eine SMS mit Kosteninformationen erhalten. Und auch eine Stichprobe im Bekanntenkreis des Autors förderte auf Anhieb viele Fälle zu Tage, wo eine Kostennachricht viele Stunden verzögert eintraf. Und selbst wenn Jasmin T. die SMS erhalten hätte, wäre sie nicht unbedingt gewarnt gewesen, denn Drillisch teilt eigenen Angaben zufolge nur mit, dass „abweichende Kosten“ entstehen, aber nicht, wie hoch der Preis konkret ausfällt.

Fatal ist, dass Smartphones auch dann Daten verbrauchen, wenn sie gar nicht benutzt werden. Apps fragen aktuelle Daten ab, der E-Mail-Client checkt im Hintergrund neue Mails und lädt sie herunter, laufende Downloads laufen auch nach einem Netzwechsel weiter. Bei Megabyte-Preisen von 20 bis 30 Euro kann ein einziger E-Mail-Abruf teurer sein als ein Essen im Restaurant für zwei Personen.

Bei den Recherchen fiel auf, dass in auffällig vielen Fällen mit überhöhten Roaming-Rechnungen Kunden von Drillisch-Marken betroffen waren. Daher stellten wir Anfragen an die großen Netzbetreiber, welche Sicherheitsmaßnahmen sie ergreifen, um ihre Kunden nicht mit überraschend hohen Rechnungen für Roaming an Bord von Schiffen und Flugzeugen zu konfrontieren.

Für die Telekom erklärte Pressesprecher Dirk Wende, dass Roaming an Bord von Schiffen und Flugzeugen grundsätzlich für Prepaid- und Postpaid-Kunden möglich sei. Allerdings gelte eine Kostengrenze: Ab 59,50 Euro brutto werde die Datennutzung weltweit beendet, auch in Schiffen und Flugzeugen. Ähnlich sieht es laut Pressesprecher Dirk Ellenbeck bei Vodafone aus, auch dort können Vertrags- und Prepaid-Kunden an Bord von Schiffen und Flugzeugen Roaming nutzen. Allerdings müsse die Roaming-Nutzung durch explizite Buchung eines Pakets aktiviert werden. Obendrein gelte die Kostengrenze von 59,50 Euro.

Bei O2 können nur Vertragskunden Bordnetze nutzen, nicht jedoch Prepaid-Kunden. Das mobile Internet ist per Default für Privatkunden gesperrt, kann aber auf Wunsch entsperrt werden. Das sollte man jedoch besser nicht tun: Bei O2 gibt es keine Kostenobergrenze. Obwohl es offensichtlich technisch möglich wäre – Telekom und Vodafone bekommen es ja hin –, werden die Verbindungen mit Zeitverzögerung abgerechnet (Offline-Billing), sodass hohe Beträge auflaufen können.

Ohne jeden Schutz sind Kunden bei den verschiedenen Drillisch-Marken: Hier ist das Roaming in teuren Netzen per Default freigegeben – ohne jede Kostenkontrolle. Wer als Drillisch-Kunde nicht aufpasst, bekommt womöglich eine Rechnung wie Jasmin T.

Kunden der zahlreichen Drillisch-Marken wie WinSIM, Simply, Maxxim, Smartmobil, Yourfone oder Discotel werden nicht geschützt, sondern müssen aktiv werden, um hohe Rechnungen zu verhindern. Pressesprecher Wolfgang Wölfle schrieb auf unsere Anfrage: „Generell empfehlen wir dem Kunden bei Flugreisen das Smartphone frühzeitig in den Flugmodus zu schalten. Darüber hinaus empfehlen wir bei anstehenden Auslands-/Überseereisen die manuelle Netzwahl im Smartphone zu aktivieren. Darüber hinaus bieten wir unseren Kunden an, eine Datenroaming-Sperre zu aktivieren. So wird sichergestellt, dass keine Roaming-Gebühren anfallen können.“

Wollen Sie an Orten, an denen nur ein teures Roaming-Netz verfügbar ist, das WLAN nutzen, sollten Sie zuerst den Flugzeugmodus einschalten und dann das WLAN. Dann bleibt der Mobilfunk abgeschaltet. Wollen Sie auch telefonieren, aber keine Datendienste nutzen, sollten Sie nicht nur das Daten-Roaming deaktivieren, sondern auch die Datendienste insgesamt, außerdem unbedingt auch LTE (4G). Sonst können durch sogenanntes Geister-Roaming Kosten anfallen, bei dem Signalisierungsdaten in 4G-Netzen fälschlich als Nutzdaten berechnet werden. Das alles sollten Sie bei Flug- und Schiffsreisen unbedingt vor dem Einsteigen erledigen.

Wer teure Roaming-Rechnungen bekommt, kann nicht auf die Kulanz des Anbieters zählen. Drillisch bietet Jasmin T. auf die Anfrage von c’t hin lediglich eine Gutschrift von 670,30 Euro an. Für die unbemerkte Nutzung im Flug soll sie weiterhin 3500 Euro bezahlen.

Dieser Artikel erschien erstmals in c't 12/2019 (uma)