Kommentar: Warum ich heute nicht wählen gehe

Vor jeder Wahl suchen Parteien unsere Nähe, machen Versprechungen, nur um unsere Stimme zu ergattern. Nicht mit mir, ich lasse mich davon nicht beeinflussen.

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Kommentar: Warum ich heute nicht wählen gehe

Am 26. Mai 2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt.

Lesezeit: 2 Min.

Heute ist Europawahl, und ich gehe nicht hin. Aus gutem Grund, meine Stimme habe ich als Briefwähler nämlich längst abgegeben. Seit Ende April liegt mein Wahlbrief nun bei der Gemeinde und wartet darauf, am heutigen Nachmittag geöffnet zu werden.

Der Bundeswahlleiter findet das bedenklich, aber ich kann ihn beruhigen: Ich habe meinen Stimmzettel höchstpersönlich ausgefüllt und wurde dabei nicht beobachtet – jedenfalls nicht wissentlich; was Verfassungsschutz und BND so treiben, erzählen die Schlapphüte ja selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium mitunter nicht.

Ein Kommentar von Mirko Dölle

Mirko Dölle beschäftigt sich mit Linux, Embedded Systems, Programmierung und entwickelt c't Bankix, c't Surfix sowie Desinfec't.

Und das Allerwichtigste, ich habe vollkommen unbeeinflusst gewählt. Denn damals, Ende April, war die Welt noch in Ordnung: An Kreuzungen und Einmündungen war die Sicht noch nicht durch unzählige Wahlplakate versperrt, auf YouTube liefen noch keine ganzstündigen Abrechnungen mit Regierungsparteien, Urlaubsvideos aus Ibiza diskutierte man allenfalls im Freundeskreis, die österreichische FPÖ war noch Busenfreundin der Alternative für Deutschland, und die AfD gegen Europa.

Damals zeigten die Parteien noch ihr wahres Gesicht, hatten noch keine Nebelkerzen angezündet, kurz, sie hatten noch nicht in den Wahlkampfmodus geschaltet. Denn man weiß ja, gewählt wird am heutigen Sonntag, also wird eine fulminante Dramaturgie ausgearbeitet, die hoffentlich ungestört in einem schillernden Feuerwerk Tags zuvor mündet, damit das Wahlvolk bitte sein Kreuz bei der eigenen Partei macht.

Ich nenne das Wählerbeeinflussung. Das wird sicher nicht einmal der Bundeswahlleiter bestreiten wollen, denn diese Form ist schließlich nicht verboten, sie wird sogar aus Steuermitteln finanziert.

Ich möchte aber nicht alle Jubeljahre ein paar Wochen lang umgarnt und mit allen möglichen Versprechungen geködert werden. Ich beurteile Parteien danach, wie sie meine persönlichen Interessen nicht nur in der letzten Wahlperiode, sondern in den letzten mindestens zehn Jahren vertreten haben – oder auch nicht, was leider viel öfter der Fall ist. Spart euch das teure Wahlkampf-Feuerwerk, nutzt das Geld besser dafür, meine Interessen wahrzunehmen. Denn dafür bekommt ihr meine Stimme, beziehungsweise ganz ganz viele Parteien eben nicht. (mid)