Berlin Open Lab: Offene Forschung zwischen 3D-Druck, VR und Datenkompost

Das neue Berliner "Open Lab" soll laut Sprecherin Gesche Joost für "Open Sciences" stehen, die digitale Gesellschaft erforschen und in die Politik hineinragen.

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Berlin Open Lab: Offene Forschung zwischen 3D-Druck, VR und Datenkompost

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

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Vier Jahre nach der ersten Ideenskizze hat am Dienstag das Berlin Open Lab als Gemeinschaftsprojekt der Universität der Künste (UdK) und der TU auf dem Campus Charlottenburg seine Türen geöffnet. Die mit mehreren 3D-Druckern ausgerüstete Einrichtung soll als "experimentelles Forschungslabor für die digitale Gesellschaft" an den Schnittstellen zwischen Gestaltung, Architektur und Ingenieurskunst dienen. Es enthält spezielle Werkstätten etwa für Wearable Computing oder computergesteuerte Fertigung sowie ein Studio für Augmented und Virtual Reality.

In den Shedhallen am Einsteinufer, die Anfang der 1960er für die Fachschule für Optik und Fototechnik mit einer sägezahnförmigen Dachkonstruktion für die gleichmäßige Belichtung errichtet worden waren, sei eine auf die Zukunft ausgerichtete Forschungsplattform entstanden, freute sich Gesche Joost als Sprecherin des Berlin Open Lab. Es solle sich um einen "Ort der Partizipation" handeln, in der sich Interessierte gemeinsam darüber unterhalten könnten, "wie wir in der digitaler Gesellschaft leben wollen".

Eröffnung des Berliner "Open Lab" (12 Bilder)

"Datenkompost"
(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Angesichts des "drohenden digitalen Totalitarismus in China" und dem Verlust der Privatsphäre auch durch den Überwachungskapitalismus "müssen wir Stellung beziehen", betonte die einstige Internetbotschafterin der Bundesregierung. Es gelte, angesichts zunehmender Phänomene der gesellschaftlichen und digitalen Spaltung einschließlich Fridays for Future und dem "Rezo-Effekt" die humanistischen Werte hochzuhalten und in die politische Gestaltung hineinzuragen.

"Wir stehen für Open Sciences", machte Joost klar und fasste darunter freie Software genauso wie den kostenlosen Zugang zu Forschungsliteratur (Open Access) oder offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources). Das Lab werde auch als "Kristallisationspunkt für transdisziplinäre Forschung" dienen, sodass "die Künste gemeinsam mit den Ingenieursdisziplinen ganz neue Wege gehen können". So würden etwa textile Fasern per 3D-Druckverfahren fabriziert und mit Elektronik ausgestattet.

In der 600 Quadratmeter großen Haupthalle werden nach dem Umbau, den der Senat mit 300.000 Euro gefördert hat, unter anderem drei neue Juniorprofessuren der UdK ihre experimentelle Forschung durchführen. Berit Greinke arbeitet zu performativen, leitenden Materialen nebst deren Faltung und kombiniert intelligente Textilien mit 3D-Druck. Die vernetzte Bildung der Zukunft steht bei Daniel Hromada im Mittelpunkt, wofür er etwa eine interaktive digitale Fibel mit Steuerungsmöglichkeiten jenseits von Maus und Touchscreen sowie Raspberry-Pi-Lernwerkzeuge kreiert hat. Max von Grafenstein beschäftigt sich mit Fragen der digitalen Selbstbestimmung in Zeiten von Alexa & Co. Mit seinem Team will er "Privacy Icons" entwickeln, die herkömmliche Datenschutzerklärungen für die Verbraucher verständlicher machen sollen.

Eine andere Gruppe versuche, mit "smarten Materialien" Informationen zu visualisieren und besser erlebbar zu machen, führte Joost aus. Zusammen mit dem nahen Weizenbaum-Institut hätten Studenten auch bereits ein "Interface zusammen mit Flüchtlingen entwickelt, um die soziale Spaltung zu überbrücken". Ein weiteres Team behandle die "Produktionsmöglichkeiten der Maker Culture", berichtete die UdK-Designprofessorin. Die Beteiligten züchten etwa Tomaten aus "Open-Source-Samen", auf die es keinen Patentschutz gibt, oder reichern einen "Datenkompost" immer dann mit ein paar Tropfen Wasser an, wenn ein Nutzer den Papierkorb des zugehörigen Laptops leert.

"Die künstlerische Betrachtung der Welt hat genauso viel mit Zukunft zu tun wie die Technik", beteuerte UdK-Präsident Martin Rennert. Die Grenzen zwischen beiden Bereichen seien nicht einfach zu ziehen. Er erinnerte daran, dass zu dem Ensemble auch ein Experimentalhaus gehöre, "das mehr Energie produziert als es verbraucht". Der Einfluss der Kunst auf die Ingenieursleistung könne zu besseren Konstruktionen führen, ergänzte Rennerts Kollege von der TU Berlin, Christian Thomsen. Ihm zufolge müssten die Forscher mit wissenschaftlichen Ergebnissen stärker bis zur Politik durchdringen. Das Rezo-Video habe erneut veranschaulicht, dass diese gerade die Resultate zum Klimawandel nicht umsetze. (mho)