30 Millionen Dollar für besseres Ethereum

Das dezentrale Kryptosystem Ethereum wird von einer zentralen Stiftung vorangetrieben. Die sucht eine neue Rolle – und gibt bis dahin einen Teil ihrer Reserven für die Entwicklung wichtiger neuer Funktionen aus.

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30 Millionen Dollar für besseres Ethereum

(Bild: Photo by Austin Distel on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Für das Kryptowährungssystem Ethereum mag es keine Zentrale geben, aber sie hat zumindest so etwas wie ein Herz: Die in der Schweiz ansässige Ethereum Foundation beschäftigt nicht nur viele der Forscher und Entwickler, die entscheidend für das Ziel sind, „einen weltweiten Computer zu schaffen“. Sie leistet auch im gesamten Ökosystem finanzielle und moralische Unterstützung für die ambitionierten Visionen der Community dahinter. Schließlich kann der Versuch, die Welt zu verändern, bisweilen entmutigend – und teuer – sein.

In einem Blog-Beitrag hat die Stiftung jetzt näher erklärt, wie sie im Lauf der nächsten 12 Monate 30 Millionen Dollar in „entscheidende“ Ethereum-Projekte stecken möchte. Das Geld stammt hauptsächlich aus Ether-Beständen der Stiftung, die nach ihren Angaben insgesamt 0,6 Prozent aller umlaufenden Münzen ausmachen und einen Wert von rund 155 Millionen Dollar haben.

Oberste Priorität hat laut dem Beitrag ETH 2.0, eine lang versprochene Software-Aktualisierung, die eine Abkehr vom Prinzip „proof of work“ hin zu „proof of stake“ bringen soll – also eine grundlegende Veränderung bei der Art und Weise, wie das Netzwerk Einigkeit über Informationen in seiner Blockchain herstellt.

Bislang müssen dazu "Miner“ (Schürfer) gegen eine Belohnung viele Rechen-Ressourcen einsetzen. Im neuen System sollen Transaktionen stattdessen von „Stakern“ (Beteiligten) verifiziert werden, die sich als vertrauenswürdig zeigen, indem sie hohe Summen dafür sperren. Eine Reihe von weiteren Änderungen soll zudem zusammengenommen dafür sorgen, dass Ethereum bei Effizienz und Skalierbarkeit endlich seine ursprünglichen Versprechen erfüllt (derzeit sei das System eher wie ein „Smartphone von 1999, auf dem man Snake spielen kann“, lästerte einmal der Ethereum-ERfinder Vitalik Buterin).

19 Millionen Dollar an Zuschüssen der Stiftung sollen in Projekte mit dem Schwerpunkt „Entwickeln des Ethereum der Zukunft“ fließen, darunter Software-Clients für ETH 2.0, neue „layer two“-Systeme für schnellere Transaktionen, weil nicht mehr jede einzeln in der Blockchain gespeichert wird, und futuristische Datenschutz-Technologien, die mittels „zero-knowledge proofs“ dafür sorgen sollen, dass Nutzer bestimmte Daten über sich selbst belegen können, ohne dafür identifizierbare Informationen vorlegen zu müssen.

Mit Blick auf die fernere Zukunft tut sich die Ethereum Foundation allerdings nicht leicht, mit dem Paradox zurechtzukommen, dass sie als zentrale Organisation den Schwerpunkt auf Dezentralisierung legt. Im Mai äußerte sich auf einer MIT-Konferenz Aya Miyaguchi zu diesem Thema, die Geschäftsführerin der Stiftung. Bei deren Gründung sei die Community um Ethereum so klein gewesen, dass die Stiftung im Grunde das gesamte Projekt ausmachte, erklärte sie.

Fünf Jahre später aber würden viele unabhängige Teams an der Verbesserung der Infrastruktur des Systems arbeiten. Für die Stiftung bedeute das, dass sie eine andere Rolle finden muss, sagte Miyaguchi: „Um das Potenzial dieses dezentralen Ökosystems zu maximieren, müssen wir eine Möglichkeit finden, unsere Macht so weit wie möglich abzugeben.“

So unterstützt die Stiftung die Einrichtung von stärker unabhängigen Finanzierungsprogrammen wie MolochDAO, das per Crowdfunding Geld für Ethereum-Infrastrukturprojekte einsammelt. Wenn die Community andere Finanzierungsmöglichkeiten als nur die Stiftung bekomme, so Miyaguchi, sei das nicht nur nachhaltiger, sondern auch stärker dezentralisiert.

Doch die Realisierung von ETH 2.0 ist eine enorme und komplizierte Aufgabe, deren Erfolg keineswegs garantiert ist. Das gilt selbst dann, wenn alle nötigen Durchbrüche in der Forschung dafür bereits erreicht sind, wie Buterin Ende Mai per Twitter mitteilte.

Vielleicht lässt sich das Projekt ohne zentralisierte Führung zum Erfolg führen. Ein wenig Herz wird es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit trotzdem benötigen.

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