Von der Science-Fiction zur Zukunftsskepsis
Heute vor 80 Jahren wurde Stanislaw Lem im galizischen Lemberg geboren.
Heute vor 80 Jahren wurde Stanislaw Lem im galizischen Lemberg geboren. Der studierte Mediziner beschäftigte sich aber bald lieber mit Physik, Biologie, Kosmologie und Philosophie. Seine Bücher haben in 37 Sprachen eine Auflage von fast 30 Millionen Exemplaren erreicht. Sein erster, 1948 entstandener Roman "Das Hospital der Verklärung" erzählt allerdings nicht von einer Zukunft, sondern von einem Arzt, der erlebt, wie SS-Truppen ein Krankenhaus für Geisteskranke besetzen und die Patienten langsam ermorden. Im selben Zeitraum veröffentlichte Lem in einer Romanheftreihe die SF-Geschichte "Der Mensch vom Mars". Wie auch der 1951 erschienene Roman "Die Astronauten" beschreibt "Der Mensch vom Mars" den Fortschritt der Menschheit, die munter ins All expandiert.
Bekannt ist Lem mit seinen Science-Fiction-Büchern geworden, doch mit der Gattung hatte er schon lange Schwierigkeiten. Bekanntlich las er kaum die Werke anderer Kollegen, distanzierte sich auch bald von seinen frühen Romanen, weil sie eine böse Welt in eine gute verwandelt hatten. Satirische oder groteske Schilderungen vom Leben in niemals perfekten Welten füllten mit unzähligen Ideen seine Romane. Lem aber experimentierte nicht nur mit Ideen, sondern auch formal, wenn er etwa Einleitungen zu fiktiven Büchern, Rezensionen nie erschienener Werke, über die evolutionäre Weltanschauung oder über die Welt aus der Perspektive der Statistik schrieb. Immer wollte er dort sein, wo sich für ihn die brennenden Fragen der Gegenwart befinden, denen er sich oft spielerisch, mit hintergründigem Witz und erzählter Philosophie näherte, bei aller Phantastik aber nie wirklich den Boden des Denkmöglichen verließ. In einem Telepolis-Gespräch sagte er einmal: "Ich hatte immer das Bewusstsein, dass man nur über das schreiben und reden darf, was von der menschlichen Vorstellungskraft verstanden werden kann. Es wäre ganz leicht, etwas total Unverständliches zu schreiben. Das ist auch vielen postmodernen Autoren sehr lieb und geschieht nicht nur in der Science-Fiction."
Schon seit geraumer Zeit hat Lem, der 1982 Polen verließ, 1988 zurückkehrte und seitdem in Krakau lebt, das Erzählen eingestellt, auch die Futurologie interessiert ihn nicht mehr sonderlich. Lieber kondensiert er seine Gedanken in Essays, die wissenschaftliche und politische Fragen behandeln, mehr von Skepsis als von Enthusiasmus gegenüber dem Neuen zeugen. Distanziert steht er nicht nur der Gentechnologie, sondern auch dem Internet gegenüber, das für ihn die Megabitbombe gezündet hat. Telepolis hat bereits eine ganze Reihe seiner Essays in einer eigens eingerichteten Kolumne veröffentlicht.
Siehe Bericht von Konrad Lischka in Telepolis. (fr)