Breitbandgipfel auf der Anga Com: Glasfaser gibt's nicht für 20 Euro

Angesichts der bevorstehenden Fusion von Vodafone und Unitymedia zeigen sich die Konkurrenten nervös – und fordern Zugang zu den Kabelnetzen.

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Missing Link: Der Kampf um die Glasfaser, oder: Der verpasste Breitbandausbau in Deutschland
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Auf der Branchenmesse Anga Com in Köln zeigten sich die Spitzen der Provider unzufrieden mit dem Fortschritt beim Breitbandausbau. Über den eigenen Schatten springen will jedoch niemand. Besonders heiße Themen des "Breitbandgipfels": Die laufende 5G-Auktion und die bevorstehende Fusion von Vodafone und Unitymedia, die noch von der EU-Kommission geprüft wird.

Auf ihrer Hausmesse zeigen sich die Kabelnetzbetreiber selbstbewusst. Mit Docsis 3.1 können sie ihr Angebot mit Gigabit-Anschlüssen aufrüsten, ohne neue Netze verlegen zu müssen. Damit treten sie in Konkurrenz zu Glasfaser-Anbietern, die nicht nur neue Leitungen verlegen, sondern sich auch um die Hausanschlüsse kümmern müssen. So hat Vodafone angekündigt, bis 2022 rund 25 Millionen Haushalte mit Gigabit-Anschlüssen auszustatten, sollte die Fusion gelingen.

Das will Dirk Wössner jedoch nicht so stehen lassen. Die Aufrüstung der Kabel-Haushalte helfe dem Breitband-Standort Deutschland nur wenig, kritisiert der Telekom-Vorstand. "Wie viele der drei Millionen unversorgten Haushalte bauen sie denn aus? Keinen!", hielt Wössner der Konkurrenz vor. Stattdessen entstehe durch die Fusion ein neues Monopol, das insbesondere den Markt jener Mieter abdecke, die ihren Kabelanschluss von der Wohnungswirtschaft gestellt bekommen. Deshalb werde die Telekom weiterhin den geplanten Zusammenschluss bekämpfen.

Gipfeltreffen der Breitbandbranche auf der Anga Com.

(Bild: heise online/Kleinz)

Wössner verweist darauf, dass die Telekom mit Vectoring Millionen Haushalte erstmals mit Geschwindigkeiten über 50 MBit/s versorge. Zugleich räumt er ein, dass langfristig kein Weg daran vorbeiführe, die Kupferinfrastruktur auch auf der letzten Meile durch Glasfaser zu ersetzen. Die Telekom will ab 2021 pro Jahr zwei Millionen Haushalte direkt mit Glasfaser-Anschlüssen ausstatten.

Noch ist der Konzern von solchen Zahlen aber weit entfernt, wie Wössner eingestehen muss. Zwar hat das Unternehmen laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr 60000 Kilometer Glasfaser in Deutschland verlegt, dabei aber nur relativ wenige Haushalte direkt angeschlossen. Um bei Glasfaseranschlüssen voranzukommen, setzt die Telekom auf Zusammenarbeit mit anderen Anbietern. Doch das im vergangenen Jahr verkündete Joint Venture Glasfaser NordWest mit dem Regional-Provider EWE lässt weiter auf sich waren: Die Genehmigung des Bundeskartellamts steht noch aus.

Kernproblem der Anbieter: Selbst wenn sie Gigabit-Bandbreiten anbieten, steigt nur ein Bruchteil der Kunden auf die neuen Anschlüsse um. Zwar betonen die Anbieter auf der Anga Com, dass Kunden bei Neuanschlüssen mittlerweile mehrheitlich zu Geschwindigkeiten über 100 MBit/s greifen. Bestandskunden hingegen sehen sich eher selten veranlasst, auf einen schnelleren und damit teureren Anschluss zu wechseln. "Doch für 19,95 Euro kann ich keinen Glasfaser-Anschluss bauen und betreiben", beklagt etwa EWE-Tel-Chef Norbert Westfal.

Um Investitionsruinen zu verhindern, baut etwa der auf ländliche Gebiete spezialisierte Anbieter Deutsche Glasfaser ein Gebiet nur dann aus, wenn vorher 40 Prozent der Kunden zusagen, die neuen Anschlüsse tatsächlich zu buchen. Laut Geschäftsführer Uwe Nickl klappt das bei 80 Prozent der Projekte. Ergebnis der Bemühungen: Sein Unternehmen schließe pro Monat 15000 bis 20000 neue Haushalte ans Glasfaser-Netz an. Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter bezeichnet den Konkurrenten deshalb als "ungekrönten Glasfaser-König". Das Lob fällt leicht: Der Glasfaser-Anbieter meidet die Gebiete, die schon von Kabelanbietern erschlossen wurden.

Um solche Ausbauanstrengungen in allen Teilen Deutschlands wirklich werden zu lassen, braucht es nach Überzeugung der Branchenspitzen gleichermaßen neue Zusammenarbeiten und neue Konkurrenz. Wer jedoch den ersten Schritt machen soll, ist umstritten. So zeigten sich etwa die Kabel-Anbieter in Köln nicht dazu bereit, ihre Koaxialkabel schnell durch Glasfaser zu ersetzen.

"Ich kann es verstehen, dass man gut rentable Geschäftsmodelle nicht aufgeben will", erklärte Netcologne-Chef Timo von Lepel. Doch um den Ausbau in der Breite voranzutreiben, sei dies manchmal notwendig. Von Lepel plädiert für die Einrichtung von OpenAccess-Zugängen, bei denen Provider die Infrastruktur ihrer Konkurrenten mitnutzen könnten. Auch Wössner wiederholt seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, verwies aber auch gleichzeitig auf die Grenzen. So sei die Telekom nicht mehr bereit, Konkurrenten ohne eigenes Netz mit Infrastruktur zu versorgen.

Auch beim 5G-Ausbau sei eine Zusammenarbeit unumgänglich – auch wenn wegen der derzeit laufenden Auktionen keine konkreten Gespräche möglich seien. In Köln üben alle Beteiligten Kritik an der von der Bundesnetzagentur gewählten Auktionsform. Insbesondere die hohen Preise für die Frequenzen sorgen für Unmut. "Man könnte mit den 6,2 Milliarden Euro über 50000 Mobilfunkstationen bauen und alle weißen Flecken eliminieren", kritisiert Ametsreiter. Stattdessen wandere das Geld in die Staatskasse. (vbr)