Berlin präpariert sich für den Cyberwar

Mit einer "nationalen Position" will die rot-grüne Koalition Stellung an der Cyberfront beziehen.

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Von
  • Florian Rötzer

Die Bundesregierung erarbeitet eine "nationale Position" zum Komplex Cyberwar. Das teilte der bündnisgrüne Politiker Winfried Nachtwei, Mitglied im Verteidiungsausschuss des Bundestags, am Wochenende auf der Konferenz Rüstungskontrolle im Cyberspace mit. Inhaltlich ist das geplante Papier, das Leitbildcharakter entfalten soll, bisher noch kaum umrissen. Allerdings war im März bereits bekannt geworden, dass in Berlin noch in diesem Jahr ein Cyberwar-Szenario durchgespielt werden soll. Außerdem testete das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik während des vergangenen Vierteljahrs die Netz-Infrastrukturen von Banken auf potenzielle Lücken. Die Ergebnisse des Planspiels sowie der Studie dürften folglich Eingang in das Positionspapier finden, mit dessen Verabschiedung frühestens im Spätherbst gerechnet werden kann.

Friedensforscher befürchten, dass die rot-grüne Koalition mit ihrer Stellungnahme amerikanische Bedrohungsszenarien und Cyberwarfare-Konzepte nach Deutschland importiert. Jenseits des Atlantiks vergeht kaum ein Tag, an dem Regierungsmitglieder und Sicherheitsberater nicht vor den Gefahren eines Angriffs auf die "kritischen Infrastrukturen" warnen und Erinnerungen an den Kalten Krieg schüren. Gleichzeitig kursieren bei den US-Streitkräften immer mehr Strategiepapiere, die eine absolute militärische Dominanz im Cyberspace postulieren.

Laut Nachtwei sind Überlegungen für den Einsatz offensiver Informationsoperationen für viele Politiker verführerisch, da der Cyberwar häufig mit der Fiktion eines sauberen, blutlosen Kriegs verknüpft werde und die Bevölkerung in Demokratien eine "klinische" Kriegsführung ohne Opfer verlange. Doch dabei würden die "Dimensionen der Entgrenzung", die etwa ein Angriff auf die vernetzten Infrastrukturen eines Landes mit sich bringen könnte, außer acht gelassen. Nachtwei hatte zusammen mit der medienpolitischen Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, erst kürzlich den verbindlichen Verzicht auf den Ersteinsatz von Cyber-Waffen gefordert. Gerade die europäischen Staaten rief Nachtwei am Wochenende nun erneut zur „Selbstbeschränkung" beim Rüsten für den Cyberwar auf.

Argwöhnisch beäugt der Grünen-Politiker gleichzeitig, dass auch bei der Bundeswehr gerade „kräftig" in den Bereich Information Warfare investiert werde. Die Bundesregierung fordert er auf, ihre Position „in der Öffentlichkeit zu diskutieren" und nicht weiter im stillen Kämmerlein auszubrüten. „Mit der Transparenz haben wir da seit einiger Zeit erhebliche Probleme", kritisiert Nachtwei die Regierungskoalition. Auch unter Rot-Grün sei es damit – zumindest im Verteidigungsbereich – nicht besser geworden. Schuld daran sei vor allem die politische Spitze. (Stefan Krempl)

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