High mit Hefe

Cannabis ist als Arzneimittel anerkannt. Nun wollen Biotechnologen die wirksamen Cannabinoide mit Hefe herstellen, um den Bedarf zu decken. Doch von da ist es nur ein kleiner Schritt zu Drogen in industrieller Produktion.

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(Bild: Steve Gschmeissner/SPL u. Shutterstock)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Im vergangenen Herbst reiste John Melo nach Amsterdam, um einen der größten Investoren seines Unternehmens zu besuchen. Während des langen Wochenendes, erzählt der CEO des amerikanischen Biotech-Unternehmens Amyris, unternahm er einen Abstecher in die berühmten "Cafés" der Stadt. Er wollte Kiffer interviewen. "Weshalb und wie häufig tun sie das?", wollte Melo wissen. "Ich wollte das Wesen hier verstehen. Wonach suchen sie und was finden sie?"

Der Grund für seine Fragen war, dass Amyris im Begriff ist, in das Cannabis-Geschäft einzusteigen. Das Unternehmen hat bereits gezeigt, dass es mit Bäckerhefe Flugzeugtreibstoff, ein Malariamedikament und kalorienfreie Süßstoffe herstellen kann. Nun will es dieselben Organismen gentechnisch so verändern, dass sie Cannabinoide produzieren. Cannabinoide sind die medizinisch interessanten Moleküle im Marihuana. Doch der Anbau der Hanfpflanzen benötigt viel Wasser, Platz und Strom. Unternehmer in Denver etwa bauten so viele Gewächshäuser, dass der Stromverbrauch der Stadt spürbar stieg. Melo glaubt, dass es billiger und besser geht.

Wenn das funktioniert, denkt er, könnten Cannabinoide überall eingesetzt werden und in neuen Varianten neue Menschen erreichen. Erst musste Melo jedoch seine eigenen Zweifel ausräumen. "Ich habe mehrere Jahre strikt 'Nein' zu dem Thema gesagt", erzählt er und ergänzt, dass auch seine Frau "völlig gegen" die Idee sei. Denn Cannabinoide haben zwei Seiten: Zu ihnen zählen zum einen vielversprechende medizinische Wirkstoffe ohne Rauschpotenzial, darunter das als CBD bekannte Cannabidiol. Zum anderen aber gehört das Tetrahydrocannabinol THC dazu, eine psychoaktive Substanz, die Hanf zur Droge macht. "Wenn wir als Gesellschaft den ganzen Tag THC konsumieren, um uns zu entspannen, was bedeutet das?"

Allerdings ist die finanzielle Verlockung groß: Seit der Legalisierung von Cannabis in vielen westlichen Ländern – sei es für medizinische Zwecke oder zur bloßen Freizeitgestaltung – wächst die Hoffnung auf einen gigantischen Markt: Allein für die USA reichen die Schätzungen von konservativen 2,5 Milliarden Dollar für 2026 bis zu optimistischen 22 Milliarden Dollar im Jahr 2022.

Und Melos Firma braucht dringend eine neue Erwerbsquelle. Der Bio-Kraftstoff war nicht wettbewerbsfähig und hinterließ einen Milliardenkrater in Amyris’ Bilanz. "Es war die Marktforschung, die mich dazu gebracht hat, mich mit moralischen Aspekten auseinanderzusetzen", sagt er.

Nach reiflicher Überlegung änderte er seine Meinung. Mit ausschlaggebend dafür sei gewesen, dass er beim Abendessen mit einem engen Verwandten erfuhr, dass dieser CBD-Öl gegen Rückenschmerzen benutzte. "Selbst bei mir zu Hause hat sich die Wahrnehmung vom Bösen zum Guten gewandelt", sagt er. Im März dieses Jahres kündigte Amyris dann an, dass eine Investorengruppe bis zu 300 Millionen Dollar zahlen werde, wenn die Firma herausfindet, wie Cannabinoide für den "Großeinsatz" im Konsumgütermarkt hergestellt werden können. CBD, also das Mittel ohne Rauschpotenzial, ist das erste Molekül, an dem sich Amyris versuchen wird.

(jsc)