Der FCKW-Krimi

Der Bann von FCKW gilt als erfolgreiche Umweltschutzmaßnahme. Forscher und Journalisten deckten jetzt einen Umweltskandal auf, der die Schließung des Ozonlochs um Jahrzehnte zurückwerfen könnte.

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Der FCKW-Krimi

(Bild: Dr. Park)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • James Temple
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Mitte Mai 2018 enthüllten Wissenschaftler der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Forschungsbehörde des US-Handelsministeriums, im Fachjournal "Nature": Irgendwo auf der Nordhalbkugel scheinen Fabriken wieder CFC-11 zu produzieren. Der Stoff gehört zu den Fluorkohlenwasserstoffen, ist ozonschädigend und ein starkes Treibhausgas. Eigentlich sollte er nach der Unterzeichnung des Montreal-Protokolls in 1987 bis 2010 vollständig aus dem Verkehr gezogen werden. Das multilaterale Abkommen zur Wiederherstellung der schützenden Ozonschicht enthielt Maßnahmen, um den Einsatz von ozonschädigenden fluor-, chlor-, jod- und bromhaltigen Verbindungen zu beenden.

Zwar waren auch danach noch Spuren in der Atmosphäre zu erwarten, da existierende Bestände der Chemikalie, die in Kältemitteln und zur Herstellung von Schaumisolierungen verwendet werden, verbraucht werden dürfen. Dennoch nahm die FCKW-Konzentration in der Atmosphäre seitdem stetig und deutlich ab. Bis zum Jahr 2012. Seitdem sinkt die FCKW-Menge in der Atmosphäre zwar weiter, jedoch nur noch halb so schnell wie erwartet. Insgesamt gelangen pro Jahr etwa 13000 Tonnen FCKW zu viel in die Atmosphäre.

Woher kommen sie? Detektivarbeit lieferte bald erste Verdächtige: Die "New York Times" deckte im Juni 2018 auf, dass der FCKW-Anstieg mit hoher Wahrscheinlichkeit auf chinesische Fabriken zurückzuführen sei, die Polyurethanschaum-Isolierungen für Kühlschränke und Gebäude herstellen.

"Wir hatten die Wahl zwischen dem billigeren Schaummittel, das schlecht für die Umwelt ist, und dem teuren, das besser ist. Wir haben das billigere gewählt, nur so haben unsere Firmen überlebt", sagte etwa Fabrikbesitzer Wenbo Zhang gegenüber der "New York Times". In Xingfu in der Provinz Shandong verwendete er zusammen mit anderen Kleinbetrieben bis Mitte 2018 illegal CFC-11. Noch während des Interviews betraten staatliche Kontrolleure das Büro und verfügten die Schließung seiner Fabrik.

Zhang gab an, nicht gewusst zu haben, dass er eine illegale Substanz verwendete. Andere Fabrikanten wollen günstigere Alternativen zu dem Ozonkiller nicht gekannt haben – oder ihren Produktionsprozess nicht anpassen. Nicht wenige agierten vermutlich mit dem Segen der lokalen Behörden, vermutet die "New York Times". Ermittlungen der gemeinnützigen Umweltschutzorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) aus den USA stützen mit ihrem im November 2018 veröffentlichten Bericht die Recherche der Zeitung: 18 chinesische Fabriken haben der EIA die Verwendung von FCKW bestätigt.

Bei dreien hätten Labortests den Einsatz belegt. Chinesische Beamte beeilten sich daraufhin zu verkünden, dass sie mehrere Fabriken geschlossen hätten und zusätzliche Schritte unternehmen würden, um die Produktion und den Einsatz des FCKW einzustellen.

Noch war unklar, ob damit wirklich alle Übeltäter bekannt sind. Ein Team aus mehr als 30 Wissenschaftlern machte sich deshalb daran, die Spur des FCKW in der Atmosphäre zu verfolgen. Erste Hinweise auf Emissionen aus Ostasien lieferte eine Überwachungsstation an der Südwestspitze der Insel Jeju, etwa 100 Kilometer südlich der koreanischen Halbinsel.

Eine andere Station auf der japanischen Insel Hateruma nahe Taiwan verzeichnete einen ähnlichen Anstieg von CFC-11. Die internationale Forschungsgruppe simulierte daraufhin mit Klimamodellen, wie sich Gase in der Atmosphäre bewegen und vermischen. Zusätzlich suchten sie nach früheren Signalen, die von Luftüberwachungsstationen des internationalen Messnetzes Agage (Advanced Global Atmospheric Gases Experiments) aufgenommen wurden. Das Projekt wurde vor Jahrzehnten gegründet, um Schadstoffe wie Kohlendioxid, Methan und FCKW aufzuspüren.

Im Mai veröffentlichten sie in "Nature" die Ergebnisse. Sie ordneten Wettermuster wie Windgeschwindigkeit und -richtung den Punkten zu, an denen die FCKW-Werte gestiegen und gesunken sind. So konnten sie die Quelle zum östlichen Rand Chinas zurückverfolgen. Demnach sind die jährlichen FCKW-Emissionen nur in den nordöstlichen Provinzen Shandong und Hebei seit 2014 um etwa 7000 Tonnen gestiegen.

Die Menge macht jedoch höchstens 60 Prozent des globalen Anstiegs aus. Woher stammen die restlichen 40 Prozent? Noch weiß die Antwort niemand. Möglich wären veränderte atmosphärische Bedingungen, die den Abbau der Chemikalie verlangsamen. Ein produktionsbedingter Anstieg in anderen Regionen Chinas und der restlichen Welt ließe sich aber auch nicht ausschließen, so die Forscher.

Zwar fanden sie bisher keine Hinweise auf weitere Orte mit ähnlich signifikanten Anstiegen, allerdings verfügt das Agage nur über etwa ein Dutzend Messstationen. Um die Treibhausgasemissionen präziser verfolgen zu können, wären Ronald Prinn vom Massachusetts Institute of Technology zufolge weltweit zehnmal so viele sowie neuere und bessere Satelliten nötig.

(bsc)