Chinesische CRISPR-Babys könnten vorzeitig sterben

Die von He Jiankui erschaffene genetische Mutation, die vor AIDS schützen sollte, könnte das Risiko für andere lebensgefährliche Leiden erhöhen.

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Chinesische CRISPR-Babys könnten vorzeitig sterben
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Von
  • Antonio Regalado

Als der chinesische Wissenschaftler He Jiankui die ersten geneditierten Kinder schuf, glaubte er, damit Millionen Menschen neue Hoffnung zu bringen. Die Veränderung an beiden CCR5-Genkopien, die es funktionsuntüchtig machten, sollte die 2018 geborenen Zwillinge vor einer HIV-Infektion schützen. Stattdessen könnte er sie dem Risiko eines früheren Todes ausgesetzt haben.

Wie die Populationsgenetiker Rasmus Nielsen und Kollege Xinzhu Wie von der University of California in Berkeley im Fachjournal „Nature Medicine“ schreiben, haben Menschen mit doppelten-CCR5-Mutationen, die jenen von He Jiankui per CRIPSR erzeugten Varianten ähneln, eine um 21 Prozent verminderte Chance, 76 Jahre alt zu werden. Das ergab eine Auswertung des Erbguts und der Todesberichte von 400.000 Freiwilligen in der großen britischen Biobank. „Es ist eindeutig eine Mutation mit einer ziemlich starken Wirkung. Sie können nicht viele Mutationen dieser Art haben, sonst würden Sie nicht lange leben“, sagt Nielsen.

Nielsen und Wei war bei der Biobank-Analyse aufgefallen, dass die Anzahl der Freiwilligen in der Datenbank mit der Doppelmutation merklich geringer war, als man es bei einer zufälligen Verteilung erwartet hätte. „Das sagt uns, dass es einen Prozess gibt, der Personen mit zwei Kopien entfernt, und dieser Prozess ist wahrscheinlich eine natürliche Selektion. Menschen sterben“, sagt Nielsen. Wer die Doppelmutation dennoch besaß, hatte eine höhere Sterblichkeitsrate.

Das CCR5-Gen enthält die Bauanleitung für einen Rezeptor auf der Oberfläche von Immunzellen. Menschen, die von Natur aus zwei funktionsuntüchtige Kopien erben, scheinen weitgehend immun gegen einen verbreiteten HIV-Stamm zu sein. Dieser benötigt den Rezeptor, um in Zellen einzudringen. Diesen schützenden Effekt wollte der in den USA ausgebildete Biophysiker bei den Zwillingsmädchen nachahmen. Obwohl er die natürliche CCR5-Mutation nicht perfekt reproduzieren konnte, gelang es ihm, das Gen in menschlichen Embryonen zu schädigen. Zwei dieser Embryos wurden Anfang 2018 von seinem Team einer Frau eingesetzt, die die Zwillinge später zur Welt brachte.

Allerdings haben viele Gene mehr als eine Aufgabe, so dass Veränderungen an ihnen mit großer Wahrscheinlich ungewollte Nebenwirkungen verursachen. So wurde das intakte CCR5-Gen mit einer günstigeren Prognose für die Wiederherstellung des Gedächtnisses nach einem Schlaganfall in Verbindung gebracht. Das bedeutet allerdings, dass Mutationenwichtige Gehirnfunktionen beeinträchtigen könnten.

Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass CCR5-Mutationen Menschen auch anfälliger für andere Infektionen wie das West-Nil-Virus oder Influenza machen können. Wie spanische Ärzte 2015 im „Journal of General Virology“ schrieben, ergab ihre Untersuchung des Schleims von 171 Grippepatienten, dass Menschen mit der mutierten CCR5-Version mit höherer Wahrscheinlichkeit an der Infektion sterben.

Die Existenz natürlicher CCR5-Mutationen, die seine Funktion zerstören, hat Wissenschaftler seit langem fasziniert. Die erste entstand Variante entstand in der Vorgeschichte in Nordeuropa und begann sich zu verbreiten.

Einigen Experten zufolge könnte sie Schutz vor der Beulenpest geboten haben. Ungefähr zehn Prozent der Menschen in Großbritannien besitzen eine nicht funktionierende CCR5-Kopie und etwa ein Prozent hat zwei kaputte Kopien. In Asien dagegen kommt die Mutation selten vor. Welchen Vorteil zwei beschädigte CCR5-Kopien in der Vergangenheit auch hatten, sie bedeuten nicht, dass sie heute von Vorteil sind.

„Es ist unverantwortlich, die Keimbahn auf der Basis von Teilwissen zu verändern“, kritisiert Feng Zhang, Biologe am Massachusetts Institute of Technology und Experte für CRISPR, das leistungsstarke Geneditierwerkzeug, das He Jiankui eingesetzt hatte. Auch Berkeley-Wissenschaftler Nielsen ist dagegen, gentechnisch veränderte Menschen zu erschaffen. Er warnt alle, die es trotzdem versuchen wollen, eindringlich, vorher „das Sterberisiko mithilfe großer Biodatenbanken sehr genau zu untersuchen".

(vsz)