Smartphone-Hörner – gewagte Hypothese oder Bullshit?

Die australische Studie, die Schädelauswüchse aufgrund von Smartphonenutzung vermutet, liefert keinen Beweis für die Hypothese. Wissenschaftler sind skeptisch.

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Smartphone-Hörner -- gewagte Hypothese oder Bullshit?
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Rudolf Opitz

Eine Auswertung von 1200 Röntgenbildern an der Universität von Queensland in Australien soll eine Zunahme ungewöhnlicher Knochenwucherungen am Schädelansatz junger Erwachsener belegen. Die Autoren der Studie David Shahar und Mike Sayers vermuten einen Zusammenhang mit schlechter Haltung durch die Nutzung von Smartphones, Tablets und Notebooks. Dies wird aber von Wissenschaftlern und Fachjournalisten angezweifelt.

Die Journalistin und Mikrobiologin Beth Mole bezeichnet die These über Hörner durch Handy-Nutzung als absurd. In einem Artikel auf arstechnica nimmt sie den durch ein BBC-Feature und eine Story der Washington Post ausgelösten Hype auseinander. Der bereits im Februar 2018 veröffentlichten Studie der beiden Australier fehlen für die Smartphone-Hypothese jegliche Belege.

Der Hauptautor, der Chiropraktiker David Shahar forscht an der Universität von Queensland über Biomechanik und untersucht die Auswirkungen des modernen Lebensstils auf Skelettdeformationen. Außerdem verkauft er Stützkissen, die Haltungsschäden vorbeugen sollen. In der im Magazin Nature veröffentlichten Studie werden die Wucherungen am Schädel – so genannte EOPs (Externe Okzipitale Protuberanzen) und verlängerte (elongated) EOPs (EEOPs) – lediglich mit dem Alter und Geschlecht der Testpersonen in Beziehung gesetzt.

Knochenwucherungen wie EOPs sind bei älteren Menschen häufig. Manche sind schmerzhaft, andere stören nicht weiter. Die Studie zeigte aber überraschend viele Wucherungen bei jungen Testpersonen zwischen 18 und 30 Jahren. Doch darf bezweifelt werden, dass diese Stichprobe die Gruppe aller Australier in der Altersklasse repräsentiert, da es sich zum großen Teil um Patienten des Chiropraktikers mit leichten Beschwerden handelte.

Der Neurochirurg Dr. Todd Lanman von der University of California wundert sich über die Auswahl der Testpersonen: So wurden einige trotz Schmerzfreiheit geröntgt, andere mit starken Schmerzen nicht. Lanman beobachtete zwar ebenfalls eine Zunahme von Nackenschmerzen durch schlechte Haltung beim Bedienen von Computern und Mobilgeräten, ist aber vorsichtig, zumal klinische Studien dazu fehlen.

Einige Ergebnisse der Shahar-Studie belegen eine signifikant höhere Zahl von EEOPs bei Männern als bei Frauen, was die Smartphone-Hypothese überhaupt nicht erklärt und sie sogar in Frage stellt. Arstechnica fragte Shahar bezüglich dieser Zahlen, erhielt aber keine Antwort.

Dr. Lanman rät, die australische Studie sehr vorsichtig zu interpretieren. Die Autoren hätten ihre Daten besser erklären sollen. Bei Nackenschmerzen empfiehlt er Streckübungen für Nacken und Rücken im Bett mit zurückgelegtem Kopf und einem Handtuch zwischen den Schulterblättern statt eines teuren Thoraxkissens. (rop)