Künstliche Intelligenz: Von den Herausforderungen vor dem Einsatz

KI gilt als Wunderelixier. Sie konkret in Unternehmen zu nutzen, ist jedoch schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint.

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Künstliche Intelligenz: Tröpfchenweise

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Brian Bergstein
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Die Kunst der Parfümherstellung hat sich seit 1880 kaum verändert. Seit dieser Zeit kombinieren erfahrene Parfümeure synthetische Inhaltsstoffe zu immer neuen, verführerischen Düften. Achim Daub, Leiter der Abteilung Scent & Care bei Symrise, einem der weltweit größten Dufthersteller, hat mit dieser Tradition nun jedoch gebrochen.

Daub wollte wissen, was passieren würde, wenn Symrise künstliche Intelligenz einsetzt. Würde eine Software Düfte vorschlagen, an die ein Mensch sich gar nicht erst herangetraut hätte? Er beauftragte IBM mit der Entwicklung eines Computersystems, das über riesige Mengen an Informationen verfügt – Formeln bestehender Duftstoffe, Verbraucherdaten, regulatorische Informationen und so weiter – sodass es in der Lage sein sollte, für spezifische Märkte maßgeschneiderte Düfte vorzuschlagen. Das System heißt Philyra – benannt nach der griechischen Göttin des Duftes. Anders als der Name suggeriert, kann es jedoch nichts riechen. Stattdessen soll es Symrise einen entscheidenden Vorsprung bei der Entwicklung neuer Produkte verschaffen.

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Gerade kamen die ersten zwei Parfümkreationen der KI auf den Markt, entwickelt für junge Kunden in Brasilien. Daub ist mit den bisherigen Fortschritten zufrieden. Es hat jedoch fast zwei Jahre gedauert hat, bis es so weit war – und es waren erhebliche Investitionen erforderlich, die sich erst nach einer ganzen Weile amortisiert haben werden.

Philyras erste Vorschläge waren schrecklich. Sie empfahl immer wieder Shampoo-Rezepte. Die Erklärung: Die Software legte ein zu großes Gewicht auf Verkaufszahlen, und die liegen für Shampoo sehr viel höher als für Parfüm. Das System auf Kurs zu bringen, erforderte eine intensive Schulung durch die Parfümeure von Symrise. Darüber hinaus kämpft das Unternehmen immer noch mit kostspieligen IT-Upgrades. "Es ist eine steile Lernkurve", sagt Daub. "Wir sind noch lange nicht so weit, dass die KI vollständig in unserem Unternehmenssystem etabliert ist." Die Gefahr, dass Software schon bald menschliche Parfümeure ersetzt, ist also nicht sehr groß.

Das Parfümgeschäft ist nicht die einzige Branche, die maschinelles Lernen einsetzt, ohne schnelle Erfolge zu sehen. Anwender in vielen Branchen klagen, wie schwierig es sei, die Technologie tatsächlich praktisch einzusetzen, wie kostspielig es sein kann und wie bescheiden der anfängliche Gewinn oft ist – ganz im Gegensatz zu den vielen Medienberichten darüber, wie die KI scheinbar unaufhaltsam die Welt erobert.

Schwerpunkt: Künstliche Intelligenz
Schwerpunkt: Künstliche Intelligenz

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Was bringt künstliche Intelligenz eigentlich? Tragfähige Geschäftsmodelle sind noch immer sehr selten, vor allem in Branchen abseits des Digitalen. Dennoch sind wir fündig geworden und haben aufgeschrieben, wo die Technologie heute steht, warum sie sich nur schleppend verbreitet – aber auch, warum sich das bald ändern dürfte.

Wer die neuesten Fortschritte in der KI-Forschung verfolgt, kann ob des rasanten Aufstiegs der Technologie schon einen leichten Höhenrausch verspüren. Um die noch immer eng begrenzten Spezialfähigkeiten maschinellen Lernens zu erweitern, versuchen Forscher beispielsweise Maschinen das "Transferlernen" beizubringen – also aus der Lösung einer Aufgabe für die Lösung anderer Aufgaben zu lernen. Andere Arbeitsgruppen orientieren sich am biologischen Gehirn, um künstlichen neuronalen Netzen eine Art Langzeitgedächtnis zu verpassen, bringen ihnen bei, ihre Schlussfolgerungen zu erklären, oder kombinieren maschinelles Lernen mit Spieltheorie, um Wilderer auszutricksen. Selbst kreative Tätigkeiten wie Malen oder Komponieren sind maschinellen Systemen nicht mehr fremd, sodass sogar nüchterne Juristen sich mittlerweile über den Fortbestand des Urheberrechts Gedanken machen.

Es ist jedoch eine ganz andere Sache, KI für grundsätzliche Verbesserungen in Unternehmen einzusetzen, die nicht von Natur aus digital sind. Der Datenwissenschaftler Peter Skomoroch hat das sehr gut auf den Punkt gebracht, als er im vergangenen September twitterte: "Als Faustregel können Sie erwarten, dass der Übergang Ihres Unternehmens zum maschinellen Lernen etwa hundertmal schwieriger sein wird als der Übergang zur mobilen Kommunikation."

Das klingt vielleicht übertrieben, aber Skomoroch weiß nur allzu gut, wovon er spricht. Seine Firma SkipFlag vertreibt eine Software, die interne Unternehmenskommunikation in eine Wissensdatenbank für Mitarbeiter verwandeln kann. Ihm zufolge existiert eine Menge Ernüchterung, denn "KI und maschinelles Lernen werden oft als magischer Feenstaub angesehen".