Robotik-Konferenz RSS: Pflanzen als Vorbilder für Roboter

Forscher diskutierten über Pflanzen als Leitbilder für Roboter. Anwendungsbereiche könnten Weltraum- und Rettungsrobotik sein. Auch lebende Häuser sind denkbar.

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Robotik-Konferenz RSS: Pflanzen als Vorbilder für Roboter

(Bild: pixabay.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Woher weiß eine Sonnenblume, wo die Sonne aufgeht? Dass sich Pflanzen tagsüber nach der Sonne ausrichten, ist nachvollziehbar, von dort beziehen sie ja ihre Energie. Warum sich aber Sonnenblumen nachts wieder nach Osten drehen, ist bislang noch ein Rätsel. Können Roboter helfen, es zu lösen?

Ausgeschlossen ist das nicht. Vorrangig ging es beim Workshop Generation GrowBots, der am Samstag im Rahmen der Konferenz RSS (Robotics: Science and Systems) in Freiburg stattfand, aber um Inspiration in umgekehrter Richtung: Was können Robotik-Ingenieure von Pflanzen lernen? Das mag auf den ersten Blick befremdlich wirken, schließlich geht es bei Robotern ganz wesentlich um Mobilität, während Pflanzen unbeweglich und fest an einem Ort verwurzelt sind. Doch eben das stimmt nicht. Pflanzen bewegen sich sehr wohl, betonte Thomas Speck (Uni Freiburg), nur seien ihre Bewegungen für die menschliche Wahrnehmung in der Regel zu langsam – manchmal aber auch zu schnell, etwa wenn sie innerhalb weniger Mikrosekunden Sporen katapultartig hinausschleudern oder wenn fleischfressende Pflanzen sich ihre Beute schnappen. So könne die Wasserfalle ihre beiden Fangblätter innerhalb von 0,02 Sekunden schließen, indem sie ihren linsenförmigen Rücken beugt. Das hätten die Wissenschaftler aufgegriffen und gemeinsam mit Forschern der Universität Stuttgart das System Flectofold zur Verschattung von Fassaden entwickelt, sagte Speck.

Die meisten Pflanzen aber bewegen sich, indem sie wachsen. Speck ging insbesondere auf Kletterpflanzen ein, die sich mit Haftscheiben (wie die Dreispitzige Jungfernrebe) oder Härchen (wie der Gemeine Efeu) fest mit ihrer Umgebung verbinden können. Die Kraft dieser Verbindung liege je nach Untergrund bei 7,8 bis 12,8 Newton pro Zentimeter und werde auch durch das Abreißen einzelner Haftscheiben kaum beeinträchtigt. Hier habe die Natur ein ausfallsicheres System geschaffen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens livMatS (Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems) wollen die Freiburger Wissenschaftler näher untersuchen, wie sich solche Erkenntnisse in technische Systeme übertragen lassen, etwa bei der Konstruktion von Greifern. Bisher, so Speck, läge die Technik noch weit hinter der Pflanzenwelt zurück.

So waren es denn auch vor allem die von mehreren Referenten gezeigten Zeitrafferaufnahmen vom Pflanzenwachstum, die beeindruckten. Nicholas Rowe vom französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS) etwa erläuterte, wie Lianen im tropischen Regenwald Querverbindungen zwischen weit entfernten Bäumen schaffen: Solange sie auf der Suche nach einem Halt sind, ist ihr Stengel fest. Sie führen damit häufig eine als Nutation bezeichnete kreisende Bewegung aus. Die Suche kann sich bis in mehrere Dutzend Meter Entfernung erstrecken. Wenn die Pflanze einen Wirt gefunden hat, an dem sie entlang klettern kann, wird der Stengel weich und dicker. Manche Pflanzen bilden regelrechte Haken aus, die verholzen, wenn sie sicheren Halt gefunden haben. „Die sind wie Karabinerhaken“, sagte Rowe. „Leicht zu befestigen, schwer zu lösen.“

Yasmine Meroz (Tel Aviv University), die das eingangs zitierte Beispiel der Sonnenblume brachte, verwies auf die Interaktionen der Pflanzen untereinander, die sich durch mechanische und chemische Stimuli wechselseitig spürten. Dadurch käme es auch zu schwarmähnlichem Verhalten. So scheine es bei Gruppen von Sonnenblumen eine Leitpflanze zu geben, deren Bewegungen die anderen folgten. Das habe wahrscheinlich mit dem Schattenwurf dieser Pflanze zu tun, die in der Regel auch die größte sei. Die nächtliche Ausrichtung der Sonnenblumen nach Osten, vermutete Meroz, könnte mit der biologischen Uhr in den einzelnen Zellen zusammenhängen. Doch das sei vorerst nur eine Theorie.

Bis diese Theorie mithilfe von Robotern getestet werden kann, wird es wohl noch etwas dauern. Das zu Beginn dieses Jahres gestartete EU-Projekt 4 GrowBot will sich mit seinem ersten Call for Ideas jedenfalls zunächst auf Kletterpflanzen und Lianen konzentrieren. Projektleiterin Barbara Mazzolai vom Italian Institute of Technology (IIT) zeigte Ergebnisse der vergangenen Jahre, bei denen es etwa im Projekt Plantoid um Roboter ging, die sich wie Pflanzenwurzeln in die Erde graben können, indem an ihrer Spitze Material hinzugefügt wird. Durch stärkeren Materialfluss an einer Seite konnte der Roboter sich beugen und der Umgebung anpassen, wobei Sensoren für Berührung, Temperatur, Feuchtigkeit oder Nährstoffe halfen. Auch die Nutation erwies sich als hilfreiche Strategie, um in das Erdreich vorzudringen. Neben der Landwirtschaft sieht Mazzolai mögliche Anwendungen in der Weltraumrobotik, Rettungsrobotik sowie beim Bau.

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Letzteres wurde im österreichischen Projekt GrAB (Growing as Building) untersucht. Wie Petra Gruber (University of Akron) berichtete, dienten dabei sowohl Pflanzenwurzeln als auch Pilze als Vorbild. Eine Frage sei, wie das Wachstum eines Pilzes so gesteuert werden könne, dass sich die gewünschte Form ergibt. Im Anschluss an ihren Vortrag ergab sich eine weitere Frage: Ob solche lebenden und sich damit unvorhersehbar verändernden Häuser überhaupt von Menschen akzeptiert würden? In der Tat geht es ja gegenwärtig eher darum, Pilze aus der Wohnumgebung herauszuhalten. Es dürfte einige Zeit brauchen, diese Haltung zu ändern. Die Forschung kann sich also ruhig noch etwas Zeit lassen. (bme)