Google schmeißt ganze Branchen aus seinem Werbedienst

Google Ads ist das wichtigste Medium für online-Werbung. Doch wenn Google seine Werberichtlinien ändert, kann ein Unternehmen schnell ohne Werbemittel dastehen.

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Google schmeißt ganze Branchen aus seinem Werbedienst
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Uli Schauenberg betreibt ein kleines Unternehmen in Köln, das unter anderem auch Elektrogeräte von Unternehmen und Privatleuten installiert und instand setzt. Über viele Jahre hat er bei Googles Werbedienst Google Ads für seine Angebote autoradio-reparatur.de, notebook-werkstatt24.de und tv-werkstatt24.de geworben.

Als er Ende Mai mal wieder Anzeigen schalten wollte, erlebte er eine böse Überraschung: Das Google-Ads-Backend teilte ihm mit, dass seine Anzeigen gegen die Werberichtlinien verstoßen und sie deshalb nicht angenommen werden könnten. Verwundert, weil es bisher keine Probleme mit seinen Anzeigen gab, wandte er sich an den Support von Google Ads.

Doch auch hier kam er nicht weiter: „Nach Prüfung Ihrer Anfrage muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Werbung gegen unsere Richtlinie für Technischen Support für Verbraucher durch Drittanbieter verstößt“, schrieb ihm ein Mitarbeiter von Google Ireland. Die Mail enthielt einen Link auf eine Support-Seite, die die Werberichtlinie auflistet.

Und tatsächlich: Ganz unten auf der Seite „Andere eingeschränkt zulässige Unternehmen“ findet sich der Punkt: „Technischer Support für Verbraucher durch Drittanbieter“. Im Detail wird dort erklärt:

Werbung für Folgendes ist nicht zulässig:

Durch Drittanbieter geleisteter technischer Support für Produkte und Onlinedienste im Bereich „Verbrauchertechnologie“

Beispiele (nicht abschließende Aufzählung): technischer Support in Zusammenhang mit Fehlerbehebung, Sicherheit, Virenentfernung, Internetkonnektivität, Onlinekonten (z. B. Passwortzurücksetzung oder Unterstützung bei der Anmeldung) oder Softwareinstallation“

Googles Werberichtlinien sind die Gesetze der Werbeplattform. In vielerlei Hinsicht orientiert sich Google dabei an der Gesetzgebung der Zielmärkte. So durften im Vorfeld der EU-Parlamentswahlen in Frankreich aufgrund eines französischen Gesetzes keine Anzeigen geschaltet werden, die Informationen enthalten, „die sich auf eine Diskussion von allgemeinem Interesse beziehen“.

Bei anderen Regeln seines Werbemarktplatzes agiert Google proaktiv im Sinne des Verbraucherschutzes. Auf die Anfrage von c’t hin verwies Google auf seinen „Trust and Safety Report“, den der Konzern einmal pro Jahr veröffentlicht: Demzufolge hat Google vergangenes Jahr 31 neue Werberichtlinien für Publisher und Werbetreibende eingeführt, 2,3 Milliarden unzulässige Anzeigen entfernt und Millionen unzulässiger Werbekonten gesperrt.

Auch im Bereich des technischen Supports durch Drittanbieter hat es in der Vergangenheit immer wieder „irreführende Werbeerfahrungen“ gegeben, so Google in einem Blog-Post aus dem vergangenen August. Das Unternehmen habe mit Strafverfolgungsbehörden und Regierungsbehörden zusammengearbeitet, um den Missbrauch in diesem Bereich zu bekämpfen, sah sich letztlich aber gezwungen, Anzeigen in diesem Bereich weltweit einzuschränken. Ebenfalls im August wurde daraufhin die entsprechende Richtlinie aktualisiert und Werbung für solche Services ausgeschlossen.

Google ist bei der Durchsetzung der Regeln auf seiner Werbeplattform zugleich Gesetzgeber, Richter und Henker. Eine externe Kontrollinstanz gibt es schlicht nicht. Daher kann sich Google auch jeden Ermessensspielraum bei der Wahl seiner Mittel herausnehmen. Google hat sich dafür entschieden, sämtliche Anzeigen für technischen Support von seinem Werbedienst zu verbannen – für alle Unternehmen, die für die betreffenden Dienstleistungen werben wollen und unabhängig davon, ob sie in der Vergangenheit als schwarzes Schaf aufgefallen sind oder nicht.

Als Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen die Richtlinien stehen bei Google die Blockierung von Werbemitteln bis hin zur Sperre des Google-Ads-Accounts im Raum. Bei Uli Schauenbergs Unternehmen wurden „nur“ die Anzeigen blockiert. Zudem hat sich Google bei ihm fast ein Jahr Zeit gelassen, um die eigene Richtlinie durchzusetzen – ein schwacher Trost.

Uli Schauenberg schätzt, dass ihn der Rauswurf etwa vierzig Prozent seiner Umsätze in dem betroffenen Unternehmensteil kostet. Mit den betroffenen beiden Mitarbeitern führt er derzeit Gespräche über Arbeitszeitreduzierungen, weil er Entlassungen vermeiden will.

In seiner Not hat sich Schauenberg an das Bundeskartellamt gewandt. Doch auch hier kann er keine Hilfe erwarten. Auf sein Hilfeersuchen antwortete die Behörde: „Das Bundeskartellamt erhält jedoch jedes Jahr eine Vielzahl von Beschwerden und Eingaben und kann […] nur in einem Teil der bekanntgewordenen Fälle tatsächlich ein Verfahren führen. […] Aus den vorgenannten Gründen können wir Ihnen daher in der von Ihnen dargelegten Sache zum heutigen Zeitpunkt leider kein Tätigwerden des Bundeskartellamts in Aussicht stellen und nur auf die Möglichkeit verweisen, ggf. selbst einen Rechtsanwalt mit der weiteren Klärung auf dem Zivilrechtsweg zu beauftragen.“

Nichts zu machen: Befindet sich die Branche auf einer Blacklist von Google Ads, dann helfen auch Beschwerden nichts – Google nimmt keine Anzeigen an.

Seinen Rechtsanwalt hat Schauenberg in der Tat zu Rate gezogen. Dieser bereitet derzeit ein Schreiben an Google vor. Ansonsten (re-)aktiviert er andere Werbekanäle. So plant er, bei Facebook Anzeigen zu schalten. Allerdings glaubt er nicht, dass Werbung dort so erfolgreich ist wie bei Google. Zusätzlich wird er ab Juli Werbung in den Gelben Seiten schalten und versuchen, die Resultate für seine Sites in der generischen Google-Suche zu verbessern.

Eine kleine Chance, zukünftig wieder bei Google werben zu können, bleibt Schauenberg noch. In der ursprünglichen Vorstellung der neuen Richtlinie hat Google nämlich auch ein Verifizierungsprogramm angekündigt, „um sicherzustellen, dass nur legitime Anbieter von technischem Support von Drittanbietern unsere Plattform nutzen können“.

Für andere Branchen bietet Google so etwas bereits an. Wer zum Beispiel in den USA oder Kanada Schlüsseldienste anbietet, muss sich bei Google einer erweiterten Überprüfung unterziehen, bevor er Werbung schalten darf. So will Google Betrug vermeiden. Auf die Nachfrage zu c’t, ob und wann Google eine solche Überprüfung bei Werbung für technischen Support einführt, konnte man uns keine weiteren Informationen geben.

So bleibt für Anbieter von Produkten und Dienstleistung immer das Risiko, ohne eigenes Verschulden bei Google Ads rauszufliegen. Ausschließlich auf einen Werbeanbieter zu setzen, erscheint aufgrund der Beliebigkeit der Ausschlüsse als keine gute Idee – so attraktiv Google Ads auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

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Dieser Artikel stammt aus c't 15/2019. (jo)