Wie Kanada seinen Wahlkampf gegen Fake News absichern will

Die kanadische Regierung will unzulässige Kampagnen bei der kommenden Unterhauswahl verhindern – Geheimdienste und Internetkonzerne sollen dabei helfen.

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Die erste Legislaturperiode des kanadischen Premierministers Justin Trudeau neigt sich dem Ende zu. Im Herbst wird das Unterhaus neu gewählt und die Partei mit den meisten Sitzen stellt den Premierminister. Trudeaus liberale Partei muss sich dabei vor allem vor den Konservativen fürchten. Denen verhilft eine neue CO2-Steuer zu einer leichten Führung in aktuellen Umfragen. Die Sozialdemokraten, als drittstärkste Kraft, liegen abgeschlagen zurück.

Eine breite Phalanx an Maßnahmen soll die kommende Wahl gegen digitale Gefahren aller Art imprägnieren: Stimmzettel aus Papier wehren Hacker ab, Geheimdienste ermitteln gegen ausländische Online-Akteure, und Internetkonzerne sollen unzulässige Kampagnen im Netz bekämpfen.

Schon jetzt sind die Regelungen gegen (ausländische) Wahlbeeinflussung in Kanada vielfältig: Die Verbreitung von Unwahrheiten ist untersagt und die Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland ist nicht nur politischen Parteien verboten. Eine brandneue Regelung verlangt zusätzlich, dass Plattformen, auf denen Wahlwerbung geschaltet werden kann, ein öffentliches Register aller entsprechenden Anzeigen pflegen. Damit soll erkennbar werden, wenn Akteure viele verschiedene, teilweise widersprüchliche Anzeigen schalten, die jeweils auf kleinste Gebiete und Wählergruppen zugeschnitten sind.

Bereits Monate vor der Wahl kursieren rechtspopulistische Fake News wie diese im Netz.

Obwohl das kanadische Gesetz den Wahlkampf eigentlich auf maximal 50 Tage vor der Wahl beschränkt, tobt er schon längst in sozialen Netzwerken. Mittels Fake-Accounts und Bots werden Halb- und Unwahrheiten gestreut, die zum fleißigen Weiterverbreiten animieren.

Für eine weitere Gesetzesnovelle vor den Wahlen ist es aber schon zu spät. Die kanadische Regierung begnügt sich daher mit einer bloßen Erklärung zur Online-Integrität von Wahlen. Diese Erklärung „hält die Erwartungen fest, die wir als Regierung gegenüber Social-Media-Plattformen haben, wie sie sich im Vorfeld und während unserer Wahlen verhalten“, erläuterte Demokratieministerin Karina Gould. Facebook, Google und Microsoft haben zugesagt Fake-Konten und unechte Inhalte zu löschen, schädliche Bots zu entfernen und die Kanadier darüber zu informieren, warum sie bestimmte Inhalte zu sehen bekommen.

Sonderlich präzise oder verbindlich sind diese Zusagen allerdings nicht, was Anlass zu Kritik gibt. So bezeichnete Jim Balsillie, ehemaliger Chef von BlackBerry, die Erklärung als bloße Worte, die das Papier nicht wert seien, auf das sie gedruckt sind. Die Regierung hält dagegen, dass nach den Wahlen neue Regeln kommen könnten, sollten sich die Internetkonzerne nicht an die Vorgaben halten. Eine Drohung, die zur freiwilligen Selbstkontrolle anhalten soll.

Insgesamt erinnert das Konstrukt an den Verhaltenskodex, den die EU zur Europawahl von den Konzernen eingefordert hat. Der Kodex ist Teil des größeren Aktionsplans gegen Desinformation, der unter anderem vorsieht, dass Bürger über die Gefahren von Falschinformation aufgeklärt werden. Außerdem sollen sich europäische Behörden besser vernetzen, um schneller auf Online-Kampagnen reagieren zu können. Kanada verfolgt hier ähnliche Pläne: Es wurde eine SITE genannte Taskforce ins Leben gerufen. Zwei Geheimdienste, die Bundespolizei RCMP und das Außenministerium sollen die Kanadier über die Gefahren von Falschinformationen aufklären und gemeinsam gegen ausländische Einflussnahme vorgehen.

Die EU-Kommission hat ihrem eigenen Aktionsplan kürzlich ein positives Zeugnis ausgestellt. Allerdings ist ein groß angelegter Versuch der Einflussnahme, vor dem im Vorfeld der Europawahl wiederholt gewarnt wurde, offenbar ausgeblieben. Ob der Aktionsplan dadurch ins Leere lief oder gerade so eine Kampagne verhindert hat, lässt sich kaum feststellen. In Europa wird man den kanadischen Wahlkampf deshalb mit Interesse verfolgen. (ds)