Wenn Alexa den Notarzt holt

Bei einem Herzstillstand können schnelle Gegenmaßnahmen die Überlebenschancen drastisch erhöhen. Ein System mit intelligenten Mikrofonen soll jetzt frühe Warnzeichen erkennen und Hilfe rufen.

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Wenn Alexa den Notarzt holt

(Bild: MS. Tech / Amazon)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Charlotte Jee

Wer einen Herzstillstand erleidet, hat keine guten Aussichten. Von den 400.000 Menschen, die in den USA pro Jahr davon betroffen sind, überleben weniger als 6 Prozent. Viel höher ist die Überlebenschance allerdings, wenn man schnelle Hilfe erhält: Schnelle Wiederbelebungsmaßnahmen können sie verdoppeln oder verdreifachen.

Bald könnte ein neues Werkzeug dabei helfen, zumindest das zu erreichen: Es nutzt das Mikrofon in intelligenten Lautsprechern oder Smartphones, um Warnsignale zu erkennen, und ruft bei Bedarf Hilfe herbei.

Mit Hilfe von Maschinenlernen identifiziert das von Forschern an der University of Washington entwickelte System die charakteristischen Atemprobleme (bekannt als Schnappatmung), die entstehen, wenn Menschen kaum noch Luft bekommen. Mehr als jedem zweiten Herzstillstand gehen sie als frühes Warnzeichen voraus.

Die Forscher trainierten ihr System mit Hilfe von Aufzeichnungen von Schnappatmung auf Notrufen in einem Bezirk im US-Bundesstaat Washington. Mit 729 Anrufen kamen dabei insgesamt 82 Stunden Material zusammen. Um falsche Positive zu vermeiden, erlernte das System außerdem andere Geräusche, die in einem Zimmer zu hören sein können, etwa Schnarchen oder Schlafapnoe.

Dazu nutzten sie zwei unterschiedliche Sammlungen: Schlafgeräusche von 35 Freiwilligen und von 12 Patienten, die an einer Studie zu Problemen mit Schnarchen und Schlafapnoe teilnahmen. Beim zweiten Satz ähnelten die Aufzeichnungen dem, was bei Schnappatmung zu hören ist, was dazu beitrug, die Treffgenauigkeit des Systems zu verbessern.

„Bei Tests haben wir eine Quote von 0,2 Prozent falschen Positiven bei den Freiwilligen und von 0,1 Prozent bei den Teilnehmern der Schlafstudie festgestellt“, sagt Justin Chan, der die Forschungsarbeit geleitet hat. Das System war in der Lage, Schnappatmung in 97 Prozent der Fälle korrekt zu identifizieren, aus Entfernungen von bis zu 6 Metern.

Noch ist das System, beschrieben in der Fachzeitschrift "npj Digital Medicine", nur eine Machbarkeitsstudie, dürfte also erst in vielen Jahren tatsächlich verfügbar werden. Doch eine Kommerzialisierung haben sich die Forscher durchaus vorgenommen. „Bis wir es im großen Maßstab einsetzen können, müssen wir aber noch viel Arbeit erledigen“, sagt Chan dazu.

Außerdem, so erklärt er, sei bei einem Praxiseinsatz wohl sinnvoll, dass das System 15 oder 30 Sekunden lang einen Hinweis an den Nutzer sendet, dass es gleich den Notdienst rufen wird. Dadurch würde die Möglichkeit bestehen, die Aktion bei falschem Alarm zu unterbinden. Genutzt werden soll das System im Schlafzimmer, denn in diesem Raum kommt es am häufigsten zu Herzstillständen.

Für Peter Chai, Assistant Professor für Notfallmedizin am Brigham and Women's Hospital in Boston, sind jedoch noch mehrere Herausforderungen zu meisten, bevor das System am Markt angeboten werden kann. Mit am wichtigsten dabei sei Datenschutz, sagt er. So müsse geklärt werden, wie mit Geräuschen von anderen Personen im Raum, mit Informationen vom Mikrofon eines Telefons und mit versehentlichen Aufzeichnungen geschehen soll.

(sma)