Digitalwährung Libra: "Ihr werdet Facebook nicht vertrauen müssen"

Für Kritik und Befürchtungen sorgten Facebooks Digitalgeldpläne reichlich. Alles halb so wild, meint der Projektleiter – und betont Libras Unabhängigkeit.

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Libra

(Bild: dpa, Kay Nietfeld)

Lesezeit: 4 Min.
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Vor rund zwei Wochen hat Facebook die Pläne für ein neues Digitalgeld namens Libra vorgestellt und damit eine Welle der Kritik und Besorgnis losgetreten. Der ehemalige Paypal-Manager David Marcus, der bei Facebook das Vorhaben leitet, hat das Projekt nun nochmals öffentlich in Schutz genommen. Facebook werde nur ein Teilnehmer von aktuell 28 und geplanten 100 im Libraprojekt sein, schrieb er im Blogbeitrag vom Mittwoch. Man müsse Facebook allein nicht vertrauen, um Libra nutzen zu können.

Weder das Netzwerk, noch das Digitalgeld, noch die Zentralbankwährungen, mit denen die Coins hinterlegt seien, stünden unter der Kontrolle von Facebook. Auch das von Marcus geführte Tochterunternehmen Calibra, das unter anderem eine Wallet für Libra entwickeln soll, werde Facebook keine Transaktionsdaten weiterreichen. Zudem werde Calibra nur eine von vielen Anwendungen sein, um Libra zu nutzen. Ob es auch ausgeschlossen sei, dass Calibra wiederum Zugriff auf Nutzerdaten von Facebook nehmen darf, erwähnte Marcus nicht.

Viele Kritiker sehen Libra eigentlich nicht als Kryptowährung, weil die Dezentralität eines P2P-Netzwerks fehlt. Bei Bitcoin und Co. kann jeder mit geeigneter Hardware einen Knoten des Netzwerks betreiben – und mit teurer Spezialgerätschaft sogar Mining. Bei Libra soll das Betreiben eines Knotens sowie das Verarbeiten von Transaktionen zunächst den Mitgliedern der Libra Association vorbehalten bleiben – und das heißt millionenschweren Unternehmen wie Paypal, Vodafone und Mastercard. Viele Beobachter sehen die derzeitige Konstruktion der Währung daher eher als Mischung aus Bezahldienst, Geldmarktfonds und Hypefloskelsammlung.

Marcus gestand in seinem Blogbeitrag zwar ein, dass Libra nur bedingt offen gestaltet sei. Aber ein Start mit 100 vertrauenswürdigen und zugleich ressourcenstarken Partnern sei nötig, um sowohl die technologischen Hürden als auch die Verhandlungen mit Regulierungsbehörden zu meistern. Zudem seien die Partner global verteilt, eine gewisse Dezentralität sei also da. Und mit der Dezentralität etwa beim Bitcoin sei es auch nicht so weit her, wenn man etwa an die Konzentration der Miningleistung auf wenige Pools und Player denke.

Auf eine wichtige Konsequenz der Dezentralität von Kryptowährungen, nämlich die Zensurresistenz, ging Marcus nicht ein. So kann man mittels Bitcoin etwa in mit Sanktionen belegte Länder Geld schicken oder an politisch unliebsame Organisationen wie Wikileaks spenden – mit einem US-Bezahldienst wie Paypal aber nicht. Es ist fraglich, ob diese Freiheit mit Libra auch gegeben sein wird.

Eine zentrale Frage, die sich viele stellen: Warum macht Facebook das überhaupt? Laut Marcus sei es die Aussicht, dass durch Libra mehr Geschäfte und Zahlungen über die App-Familie Facebooks abgewickelt werden. Das würde das soziale Netzwerk zu einem wichtigeren Kanal für E-Commerce machen – und damit indirekt dafür sorgen, dass das Schalten von Anzeigen über Facebook attraktiver wird. Und das ist das zentrale Geschäftsmodell des Unternehmens. Sofern Calibra ein Erfolg werde, könnte Facebook dann auch noch weitere Finanzdienstleistungen anbieten und sich damit ganz neue Erlösquellen eröffnen.

In Richtung besorgter Politiker und Banker erklärte Marcus, dass man systemische Risiken für das Finanzwesen unbedingt vermeiden wolle. Stattdessen solle Libra sogar dabei helfen, Probleme wie die laut Marcus oft mit Bargeld erfolgende Geldwäsche und Terrorfinanzierung besser in den Griff zu bekommen. Libra habe nämlich das Potenzial, Bargeldzahlungen in die digitale Welt zu bringen – und damit eine nachverfolgbare Datenspur für Behörden zu schaffen. Ermittler und Regulierer könnten auch mit Analysen der Libra-Transaktionsdatenbank ihr Monitoring deutlich verbessern.

Gespräche mit Zentralbank und Regulierungsbehörden hätten Marcus zufolge zum Entschluss geführt, in der recht frühen Phase der Entwicklung mit Libra an die Öffentlichkeit zu gehen. Man wolle eine transparente, offene Diskussion führen. In diesem Stadium sei auch noch kein festes Regelwerk für die Verwaltung des Kryptogelds fixiert – das sei erst sinnvoll, wenn die gewünschte Mitgliederzahl in der Libra-Association erreicht sei.

Aktuell dürfte Facebooks Blockchain-Chef Marcus mit der Überzeugungsarbeit auch gut ausgelastet sein: Anhörungen im US-Kongress, in denen er Rede und Antwort stehen will, sind für den 16. und 17. Juli geplant. Zuvor hatten US-Abgeordnete einen Stopp des Projekts verlangt. Ähnliches ließ auch der Finanzminister Frankreichs verlauten. In Deutschland hatte etwa die CDU einen Digital-Euro als Alternative gefordert. (axk)