Software-Patente: Gegner zahlenmäßig überlegen

Die EU legte die Auswertung des Konsultationsprozesses zu Softwarepatenten vor; wenn die Gegner von Softwarepatenten auch überwiegen, so gebe es doch eine "wirtschaftliche Mehrheit" der Befürworter.

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Von
  • Richard Sietmann

Im Streit um das Für und Wider der Ausweitung des Patentschutzes auf "computer-implementierte Erfindungen" – Software und rechnergestützte Geschäftskonzepte, die anders als in den USA bisher vom Wortlaut des Deutschen Patentgesetzes wie auch der Europäischen Patentübereinkunft (EPÜ) nicht patentfähig sind – hatte die EU-Generaldirektion Binnenmarkt im Oktober vergangenen Jahres einen Konsultationsprozess gestartet. Aus diesem Grunde war die bereits geplante Streichung der Software-Ausschlussklausel im EPÜ auf der Münchner Vertragskonferenz der EPÜ-Mitgliedsstaaten im November vergangenen Jahres noch einmal vertagt worden.

Die EU und ihre Mitgliedsländer stehen in einem gewissen Zugzwang. In international rechtskräftigen Verträgen wie dem TRIPS-Abkommen von 1994, einem Anhang zur Charta der Welthandelsorganisation (WTO), haben sie sich zur "Harmonisierung" genannten Angleichung ihres Patentrechts an die Vorgaben der WTO verpflichtet. In der Behandlung von computer-gestützten Erfindungen wird die konkrete Ausgestaltung nun zu einem schwierigen Balanceakt: Die Innovationsstimulierung durch den Anreiz eines staatlich gewährten, zeitlich befristeten Monopols kollidiert mit der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs, der durch Monopole stets eingeschränkt wird.

Um dem Vorwurf der einseitigen Ausrichtung des Patentrechts an einer einflussreichen Industrielobby zu entgehen, sollten Betroffene und Interessierte Gelegenheit bekommen, ihre Ansichten in den Diskussionsprozess einzubringen. Die machten davon ausgiebig Gebrauch; insgesamt gingen knapp 1450 Stellungnahmen ein. Der größte Teil davon – rund 1200 – unterstützte die Petition der Eurolinux Alliance gegen die Ausweitung des Patentschutzes. Der Verband von mehr als 200 kommerziellen Softwarehäusern und gemeinnützigen Organisationen zur Förderung von offenen Standards und Open-Source-Software hatte Mitglieder wie interessierte Öffentlichkeit aufgerufen, zum Zwecke größerer Transparenz des Verfahrens die Eingaben an die Kommission über ihn einzureichen.

Die Auswertung der zahlreichen Stellungnahmen war offenbar selbst der Generaldirektion zu viel. Sie beauftragte damit die britische Beratungsgesellschaft PbT Consultants Ltd. Der Report ("The Results of the European Commission Consultation Exercise on the Patentability of Computer Implemented Inventions") wurde jetzt veröffentlicht. Er dokumentiert die beiden Lager, die sich in dieser Frage gegenüberstehen: Akademiker, Entwickler und kleine Firmen befürchten überwiegend negative Auswirkungen auf Interoperabilitätsstandards, lähmende Rechtsstreitigkeiten um das geistige Eigentum und Gefahren für die Entwicklung von Open Source Software. Zum "liberalen" Lager, das für einen weit gehenden Monopolschutz eintritt, zählen vor allem Patentanwälte, etablierte Großkonzerne und Patentbehörden.

"Es war klar, dass die Gruppe der Softwarepatent-Gegner (91%) numerisch die eingegangenen Antworten dominiert", heißt es in dem Report; "54% der Stellungnahmen, die direkt an die Kommission gingen und nicht explizit von 'Open-Source'-Anhängern kamen, unterstützten Software-bezogene Patente." Auf diese feinsinnige Gliederung der Mehrheitsverhältnisse folgt dann unverblümt die realpolitische Gewichtung: "Wenn man die Wirtschaftskraft und Zahl der Organisationen in Rechnung stellt, deren Stellungnahmen die Industrie und andere Verbände repräsentieren, lässt sich begründen, dass es eine 'wirtschaftliche' Mehrheit zu Gunsten von Patenten für computer-implementierte Erfindungen gibt."

Damit lassen die Consultants wenig Zweifel, wessen Interessen für die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik ausschlaggebend sein werden, obwohl sie betonen, dass die Abwägung natürlich eine "politische Angelegenheit" sei. Der weitere Gang der geplanten Richtlinie in Brüssel verspricht für die EU-Mitglieder eine interessante Übung in repräsentativer Demokratie auf europäischer Ebene zu werden. ur weiteren Diskussion hat die Generaldirektion Binnenmarkt ein Online-Forum eingerichtet.

Mehr zu Softwarepatenten und zu den Hintergründen der Entwicklung des Patentwesens bringt c't in Ausgabe 17 (ab dem 13. August im Handel). (Richard Sietmann) / (jk)