Adam reloaded

Wer verändert hier eigentlich wen? In seinem neuen Buch bricht Ian McEwan auf großartige Weise mit den üblichen Erzählungen über humanoide Roboter.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Robert Thielicke

Die meisten Romane über unsere Zukunft mit Robotern folgen einem von zwei Mustern: entweder der Terminator-Variante der bösen, hassenswerten Maschine. Oder der R2D2-Version des ewig liebenswerten Dieners. Was aber, wenn beides der Fall sein wird? Wenn Menschen ihre Humanoiden lieben, Humanoide anfangen, die Menschen zu lieben – und das Ganze trotzdem desaströs endet?

Dann steckt man mitten in einer tiefgründigen, manchmal auch abgründigen Beziehungskiste – und zwar einer, bei der auf einmal gar nicht mehr klar ist, wo die Maschine aufhört und der Mensch beginnt. Dann sind alle Fragen nach dem Wesen eines Roboters immer auch Fragen nach dem Wesen des Menschen.

Genau das macht Ian McEwans neues Buch "Maschinen wie ich" so spannend. Und wohl genau deshalb lässt der Autor seine Geschichte auch nicht in einer Jahrzehnte entfernten Zukunft spielen, sondern verortet sie im Großbritannien der 80er-Jahre. Nur nimmt die Historie einen anderen Verlauf: Premierministerin Margaret Thatcher verliert den Falkland-Krieg, ein Sozialist verdrängt sie von der Macht, Computergenie Alan Turing lebt noch und hat das Feld der künstlichen Intelligenz so weit vorangetrieben, dass tatsächlich Roboter möglich sind, die im alltäglichen Umgang nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Sie müssen eben nur ab und zu an die Steckdose und haben einen Ausschalter. Jeder kann sie für 86.000 Pfund kaufen, was die Hauptfigur Charlie umgehend tut.

Adam, so sein Name, putzt die Wohnung, dichtet Haikus, sorgt für etwas gestelzte, aber intelligente Gespräche und verdient für seinen Besitzer Zehntausende Pfund beim Online-Trading. Leider verliebt er sich aber auch in die Frau, auf die Charlie ein Auge geworfen hat – und schläft sogar mit ihr. Voller Wut will Charlie ihn ausschalten, aber Adam fängt seinen Arm ab und bricht ihm das Handgelenk, obwohl sein Programm ihm verbietet, Menschen zu verletzen. Anschließend findet Adam einen Weg, den Ausschalter zu deaktivieren.

An diesem Punkt hätte die Geschichte ebenso gut in die übliche Terminator-Richtung abdriften können. Aber McEwan holt sie immer wieder zurück auf die Ebene der Dreierbeziehung. Er will nicht wissen, wie Humanoiden die Welt verändern, sondern viel persönlicher: Wie verändern sie die Menschen? Und genauso entscheidend: Wie ändern Menschen ihre Humanoiden? Am Ende ist ihm eine große Erzählung vom Widerstreit zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Liebe und Verrat gelungen – weit menschlicher als viele, die nur von Menschen handeln.

Ian McEwan: Maschinen wie ich, Diogenes, 2019, 416 Seiten, 21,99 Euro

(jle)