Kamera oder Smartphone: Pros und Contras
Zu den klassischen Pro- und Contra-Argumenten kommen interessante neue hinzu, die vor allem mit der Ăśberlegenheit der Smartphone-Prozessoren zu tun haben.
Während in Kameras der quasi billigstmögliche Prozessor steckt, der die Anforderungen zum Fotografieren oder Filmen erfüllt, wächst die Leistungsfähigkeit der Smartphones weit über diese Bedürfnisse heraus. Sie eignen sich für 3D-Spiele in höchster Displayauflösung, komprimieren 4K/60Hz-Aufnahmen in Echtzeit, haben acht Kerne, sechs Gigabyte Arbeitsspeicher oder sogar KI-Coprozessoren. Das allein macht die Fotos nicht besser, doch seit einiger Zeit bringen die Hersteller den vorinstallierten Foto-Apps beeindruckende Tricks bei: künstliche Unschärfe, Nachtmodus, bessere Automatiken, dutzende Filter, Digitalzoom, naja und auch sowas wie Micky-Maus-Ohren in Echtzeit.
Einige dieser Tricks gleichen optische Nachteile der Smartphone-Kameras aus, andere greifen kreativ (oder auch albern) ins Foto ein. Allen Tricks ist gemeinsam, dass sie anders als Kameras gerade nicht versuchen, ein Motiv so natürlich und präzise wie möglich einzufangen. Tatsächlich bleiben die Fähigkeiten zur natürlichen Wiedergabe gering: Der manuelle Modus der Handys bietet eingeschränkte Möglichkeiten, Fotos im Raw-Format – also ohne Manipulationen durch die Software – lassen sich nur bei wenigen Modellen speichern und fangen noch seltener die Fotos der Weitwinkel- und Tele-Sensoren ein. Zudem zeigen manueller Modus und Raw entweder, wie schlecht die Optiken sind – oder sie sind vielleicht gar nicht so roh wie versprochen, sondern zumindest entzerrt und farblich aufgehübscht.
Ob dieser Trend die Grenzen der Smartphone-Technik und Physik aufzeigt oder ob die Hersteller wirklich absichtlich in diese Richtung gehen wollen, sei dahingestellt – der Unterschied scheint größer zu werden. Frei nach John Irving, wonach sich Romanautoren nicht als Chronisten eignen, weil sie sich an Geschichten nicht so erinnern, wie sie waren, sondern wie sie hätten sein sollen, bilden Smartphones die Wirklichkeit so ab, wie sie laut Automatik sein soll. Diskussionswürdig ist dabei natürlich auch, ob die klassische Fotografie dem Authentizitätsanspruch gerecht wird: Wie natürlich ist Blitzlicht? Gibt es Tiefenunschärfe in der Realität überhaupt? Ist nicht schon die Wahl eines Aufnahmestandpunkts und -zeitpunkts eine Interpretation? Doch klassische Kameras geben dem Fotografen zumindest das Gefühl, objektives Rohmaterial aufgenommen zu haben – das dann der Photoshop-Exzesse harrt.
In zwei Aspekten mag das Smartphone sogar authentischer sein als die Kamera: Es ist unauffälliger, sodass manches Motiv natürlicher reagiert – für Street-Fotos von Vorteil. Und es bringt die Aufnahmen mit weniger Aufwand blitzschnell zum Betrachter als das per Kamera möglich ist – gut für Nachrichten, schlecht bei Gaffern. Das gilt übrigens fürs Fotografieren, weniger fürs Filmen: Wer anspruchsvolle Videos mit dem Handy drehen möchte, landet schnell bei einem Gestell mit angeschraubten Mikros oder Leuchten – unauffällig ist das nicht mehr.
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Evolution der Argumente
Wie der Artikel "iPhone und sieben Android-Handys im Vergleich" zeigt, nimmt die Bildqualität der Smartphones weiter zu; die Spitzenmodelle haben größere Sensoren als manche Kompaktkamera und leisten in puncto Dynamikumfang, Auflösung und Rauschen prima Arbeit. Beim Zoom rücken die Smartphones zwar ebenfalls heran, liefern dann aber eine schlechtere Bildqualität, weil ihr Zoom-Sensor kleiner als der Hauptsensor ist. Viel mehr werden die Handy-Sensoren nicht wachsen, und andere bildverbessernde Techniken werden auch bei Kameras Einzug halten.
Demnach liefern Kameras ab Edelkompakter und Superzoom aufwärts weiterhin die höhere Qualität. Micro-Four-Thirds, APS-C und größer werden immer haushoch überlegen bleiben. Auch lässt sich die Qualität und Flexibilität von Wechselobjektiven nicht per Smartphone-Hardware oder noch so guter Software nachahmen.
Die meisten Kameras haben eine bessere und durch Wechselakkus beliebig verlängerbare Akkulaufzeit. Auch kann man die Kamera bedenkenlos über den Tag leerknipsen und hat noch Saft im Handy, um beispielsweise im Urlaub abends ein Restaurant und danach zurück zur Unterkunft zu finden. Dieses Argument fällt durch die externen Akkupacks mit USB-Anschluss nicht mehr so eindeutig aus, denn damit lässt sich auch die Handy-Laufzeit beliebig verlängern. Oder man steckt einfach ein Handy-Ladegerät ein. Nun sind sogar diejenigen Kameras mit separatem Ladegerät im Nachteil, die sich nicht per USB oder aus so einem Akku speisen lassen.
Auch beim Licht muss man neu denken. Bisher galt, dass Smartphones, Kompaktkameras und sogar der Großteil der Superzooms bei schlechtem Licht rauschen und ihre eingebauten Blitze die Situation eher verschlimmern als verbessern – ein Blitzschuh samt Aufsteckblitz muss es schon sein. Letzteres gilt noch immer; externe Leuchten pulverisieren die Vorteile der Smartphones. Doch die Notwendigkeit für Zusatzlicht schrumpft bei denjenigen Smartphones mit exorbitant gutem Nachtmodus.