Track This von Mozilla trickst Werbe-Tracker aus

Um nervige Online-Werber in die Irre zu führen, ahmt Track This das Surf-Verhalten von Schuhfetischisten oder Esoterikern nach. Die Web-App zeigt außerdem, wie „personalisierte Werbung“ funktioniert.

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Track This von Mozilla trickst Werbe-Tracker aus
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Nur mal schnell das Hotel googeln, von dem die Kollegin in der Mittagspause schwärmte – schon sind tagelang Anzeigen zu genau diesem Hotel zu sehen. Sie verfolgen den Nutzer von Website zu Website, sind plötzlich überall, damit endlich eine Buchung erfolgt. Das Beispiel zeigt: Online-Reklame ist penetrant, hartnäckig und omnipräsent.

Wie Werbung und die Profilbildung im Netz funktionieren, möchte Mozilla mit Track This und einem Augenzwinkern veranschaulichen. Die mit verschiedenen Browsern funktionierende Web-App will außerdem Werbe-Tracker verwirren – indem sie 100 Browser-Tabs öffnet und damit den Surf-Verlauf verfälscht. Auf diese Weise verschleiert Track This die wahren Interessen des Nutzers. Die geöffneten Onlineshops, Firmenseiten und Onlinemagazine passen zu bestimmten Werbe-Profilen. So erleben die Nutzer das Web aus anderer Perspektive.

Damit das kleine Experiment funktioniert, muss zuvor der Adblocker abgeschaltet sein. Anschließend wählt der Nutzer auf der Seite trackthis.link ein Alter Ego – zur Auswahl stehen das „Hypebeast“ (interessiert sich für angesagte Markenschuhe), der „Filthy Rich“ (stinkreich, liebt den Luxus) oder der „Doomsday“-Prepper, der sich auf den Weltuntergang vorbereitet. Zuletzt ist da noch der „Influencer“, der sich für Hautpflege, Astrologie und Meditations-Apps interessiert.

Hypebeast, Filthy Rich, Doomsday oder Influencer? Track This öffnet Websites, die zu einem der vier Werbe-Profile passen.

Ein beherzter Klick auf den Button „Track This“ öffnet aber nicht gleich 100 Tabs – ein Schutzmechanismus des Browsers verhindert dies. Nötig ist noch das Freigeben von Pop-ups in den „Berechtigungen“ der Seite; dazu in Firefox einfach auf das kleine „i“ neben der URL klicken. Der Mozilla-Browser öffnet nicht mehr als 20 Tabs nacheinander. Chrome hingegen traut sich und öffnet die vollen 100 Tabs.

Die auf den Websites eingebetteten Werbedienste erfahren nun von den scheinbaren Nutzerinteressen. Wer anschließend als angeblicher Influencer durchs Netz surft, sollte in den kommenden Tagen vermehrt Werbung zu Pflegeprodukten sehen. Weil Track This hauptsächlich US-Seiten öffnet, ist der Effekt auf solchen am ehesten sichtbar.

Die Auswahl der Anzeigen ist allerdings von den Werbediensten abhängig, die auf den Seiten eingebettet sind. Auf einem Nachrichtenportal mit harten IT-News taucht daher trotzdem weiterhin Werbung für DSL-Tarife und Streaming-Dienste auf. Auf allgemeineren Websites, etwa von Tageszeitungen, fällt hingegen schon auf, dass es mehr Anzeigen zu „Beauty“ und „Lifestyle“ gibt. Die Werbebanner versuchen zudem, den Nutzer zurück in den bereits besuchten Shop zu locken, der sich unter den 20 beziehungsweise 100 geöffneten Tabs befand. Das Verfahren nennt sich „Retargeting“: Wer kurz bei Booking.com Hotelpreise nachgeschlagen hat, wird hartnäckig von Booking-Werbebannern verfolgt.

Markiert werden Seitenbesucher mit Cookies, die ein seitenübergreifendes Verfolgen und Bewerben ermöglichen. Sie speichern auch sinnvolle Parameter für Onlineshops, etwa die gewünschte Sprache oder den Warenkorb. Cookies komplett zu verdammen, wäre daher unangebracht. Problematisch aber wird es, wenn „zwielichtige Datenhändler“ die Cookies gegen den Willen der Nutzer verwenden, kritisiert Mozilla. „Track This“ klingt daher auch nach einem trotzigen „Nimm das!“. In diesem Fall sind es viele falsche Interessen, die den Werbe-Trackern zum Fraß vorgeworfen werden.

Die Web-App ist auch Werbung für Firefox. Der lockt Nutzer mit verfeinerten Kontrollmöglichkeiten. Seit Firefox 67 sperrt der Browser bestimmte Cookies in eine Sandbox, nämlich all jene, die von bekanntermaßen trackenden Domains kommen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Werbetreibenden, die sich immer raffiniertere Techniken einfallen lassen. Gegen hartnäckige Verfolger ist dann auch Track This machtlos: „Wenn Sie das Internet täglich normal nutzen, werden Sie auch wieder Anzeigen sehen, die auf Ihren echten Interessen basieren“, erklärt Mozilla. Irgendwann taucht also wieder die Anzeige zu dem schicken Hotel auf. Gern auch nach dem Urlaub.

Dieser Artikel stammt aus c't 16/2019. (dbe)