Ein Organ kommt geflogen

Trina Glispy ist die erste Amerikanerin, die im April ein neues Organ mit einer Drohne geliefert bekam.

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Ein Organ kommt geflogen

(Bild: University of Maryland Medicine)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Glispy, eine 44-jährige Pflegekraft aus Baltimore, musste seit 2011 regelmäßig zur Dialyse, weil ihre Nieren langsam versagen. Dialysepatienten überleben im Schnitt nur fünf bis zehn Jahre mit der künstlichen Blutwäsche. Schließlich fand sich eine passende Spenderniere, ebenfalls im Bundesstaat Maryland. Die Drohne startete von der zuständigen Organkoordinierungsorganisation "Living Legacy Foundation of Maryland" im Südwesten von Baltimore und landete zehn Minuten später im knapp drei Meilen entfernten Universitätsklinikum. Dort setzten Chirurgen das Organ ein.

Ingenieure und Ärzte der University of Maryland hatten die Drohne gemeinsam mit Medizintechnik-Unternehmen für diese Aufgabe entwickelt. Mehrere Sicherheitsvorkehrungen sorgten dafür, dass die Flugmaschine auch bei Ausfällen sicher zu Boden gelangt. Alle vier Propeller hatten Ersatzpropeller, und auch für Motor- und Akkuausfälle gab es Backup-Geräte. Sollte ein Viertel des Antriebs ausfallen und die Drohne in Schieflage geraten, wird ein Fallschirm ausgelöst. Darüber hinaus können die Piloten, etwa in wetterbedingten Notfällen, in die vorprogrammierte Streckenführung eingreifen.

Messgeräte in der Organ-Transportbox überwachten das Wohlergehen der Niere, indem sie etwa die Kühltemperatur und den Luftdruck in der Kiste maßen. Die beladene Drohne meldet zudem regelmäßig mit einem GPS-System sowie einem Höhenmesser, wo sie sich gerade befindet. Bisher seien Organtransporte "datenblind" gewesen, sagt Joseph Scalea, der ärztliche Leiter des Projekts. Während ein Tracking bei profanen Transporten, etwa von Amazon-Paketen, längst Standard ist, sei es bei Spenderorganen meist unklar, wo sie sich gerade auf der Strecke befinden und wie lange sie noch brauchen.

Die Lieferung war ein Test, deshalb galten erleichterte Bedingungen: Die Niere gelangte zunächst auf konventionellem Weg zur Living Legacy Foundation of Maryland, erst dort wurde sie auf die Drohne verladen. Insgesamt verging ein Tag von der Nachricht bis zur Operation.

Für die Zukunft erhofft sich Scalea jedoch weit mehr. Drohnen sollen Spenderorgane schneller, günstiger und verlässlicher zu Patienten transportieren können, als es bisher mit extra gecharterten, teuren Fliegern oder zeitlich gebundenen Linienflugzeugen der Fall ist. Das führt oft dazu, dass zu viele verfügbare Organe nicht genutzt werden können, weil sie nicht rechtzeitig zu den Patienten gelangen.

"Einmal brauchte eine Niere aus Alabama 29 Stunden in unser Krankenhaus", klagt Scalea. "Hätte ich sie nach maximal neun Stunden einsetzen können, wären dem Patienten wahrscheinlich noch einige Jahre vergönnt gewesen. 2700 Nieren müssen in den USA jedes Jahr verworfen werden, weil sie nicht zu geeigneten Patienten gelangen können. "Wenn wir diese Organe retten können, überleben 2700 Menschen", sagt Matt Scassero, Direktor des Universitätstestgeländes für unbemannte Fluggeräte und technischer Projektleiter.

Aus diesem Grund arbeitet das Team nun auch an unbemannten Fluggeräten für weitere Strecken. Für innerstädtische Transporte werden dabei Akkus und elektrische Motoren reichen, sagt Scassero. "Für weitere Distanzen bräuchten die Fluggeräte Treibstoff."

(bsc)