Giro mit Elektro-Doping

Inwieweit hilft ein Elektromotor, die Profi-Etappen des Giro d'Italia zu bewältigen? Unser Autor hat es ausprobiert – und fühlte sich den Leistungssportlern gleichzeitig fern und nah.

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Giro mit Elektro-Doping

(Bild: Luca Delli Carri)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans Dorsch

Dienstag, 9 Uhr, in Lugo, einer Kleinstadt in der Emilia Romagna: Ich klicke die Rennradschuhe in die Pedale, stecke den GPS-Tracker für die Zeitmessung in die Trikottasche und rolle zum Start der achten Etappe des Giro d'Italia – dem wichtigsten Radrennen nach der Tour de France. Dabei bin ich gar kein Radprofi, genauso wenig wie die anderen 60 Teilnehmer der zehn Teams.

Statt eines durchtrainierten Körpers haben wir jedoch elektrische Unterstützung: Mein knapp 6000 Euro teures Pinarello Nytro, das mir vom Team gestellt wurde, besitzt einen Antrieb von Fazua. Er sitzt zusammen mit dem Akku in einem nur 4,3 Kilogramm leichten Paket im Unterrohr des Carbonrads und treibt direkt das Tretlager an. Bis 25 Kilometer pro Stunde unterstützt er mich mit 250 Watt. Damit entspricht das Rad – genau wie die Räder der anderen Teams – der europäischen Pedelec-Norm, ist aber kaum als solches zu erkennen und wiegt nur 13 Kilogramm. Kann ich wie ein Profi fahren, ohne wie ein Profi trainieren zu müssen?

Der Giro E ist eine Radtouristikfahrt, auf der ich diese Frage beantworten will. Wir fahren morgens die Etappen des Giro, geschützt von Polizei und Absperrhelfern, die Profis am Nachmittag. Ich bin für drei Etappen dabei, um herauszufinden, wie sich solch ein Profirennen mit eingebautem Rückenwind anfühlt.

Auf der ersten Etappe merke ich davon fast gar nichts, denn die 120 Kilometer nach Modena sind topfeben – ich bin ohnehin meist schneller als die 25 Kilometer pro Stunde, bei denen sich die Motorunterstützung abschaltet.

Die zweite Etappe zeigt mir dann deutlich, was mir zum Profi fehlt: Wir starten um elf Uhr; unsere Etappe ist verkürzt, damit uns die Profis nicht vor dem Ziel einholen. Ich fahre im Peloton und lasse mich vom Luftsog mitziehen. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit liegt – praktisch ohne Motorunterstützung – bei 29,9 Kilometern pro Stunde auf einer Strecke von 83 Kilometern. Der Etappensieger Caleb Ewan war im Schnitt mit 41,8 Stundenkilometern unterwegs – und das auf einer mehr als zweieinhalbmal so langen Strecke.

Ich hoffe auf die Berge – und die volle Wirkung meines E-Dopings. Donnerstag um neun Uhr geht es von Saluzzo im Piemont aus in die Alpen, nach Montoso. 850 Höhenmeter auf neun Kilometern Strecke bei durchschnittlich zehn Prozent Steigung. Für solche Strecken ist mein Rad gebaut. Ich trage meine Sportuhr, denn ich will meine Leistung messen. Nach 80 Kilometern beginnt der Anstieg: Ich bleibe im Sattel und passe meine Trittfrequenz an den Motor an. Bei 65 Kurbelumdrehungen in der Minute stellt der sein maximales Drehmoment bereit. Normalerweise trete ich schneller, eher 80 bis 100, aber die schaffe ich sowieso nicht, ich bin schon im kleinsten Gang.

Der Motor macht meine Fahrt nicht leichter, aber immerhin schneller. 40 Minuten später komme ich oben an und sehe meine Daten: 12,5 Kilometer pro Stunde, Puls: 177. Geschätzte Leistung: 312 Watt, etwa zwei Drittel davon kamen vom Motor.

Der spätere Tourgewinner brauchte für die Strecke knapp 29 Minuten und hat dafür mit rund 350 Watt in die Pedale getreten – mehr als ich gemeinsam mit dem Hilfsantrieb.

Die Profis und ich leben also immer noch in zwei Welten. Nur eine Erfahrung teile ich mit ihnen: "Es wird nie einfacher, du wirst nur schneller", hat der mehrfache Tour-de-France-Sieger Greg LeMond über den Radrennsport gesagt.

Produkt: Nytro
Hersteller: Pinarello
Preis: 5990 Euro

(bsc)