Kryptowährungen: Warnung vor dem Libra-Chaos

Die neue Facebook-Währung ist nicht das erste private Zahlungsmittel eines Unternehmens. Frühere Versuche scheiterten krachend, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.

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Kryptowährungen: Warnung vor dem "Libra"-Chaos

(Bild: Ms. Tech)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Währungen, die von Regierungen gedeckt werden, beherrschen den Planeten. Doch bald könnten legitime Wettbewerber in Form privater digitaler Währungen auf den Markt kommen. Insbesondere Facebooks Libra wird hier immer wieder gerne genannt. Doch wie werden Konzerngeldsysteme sich auf die gesamte Finanzwirtschaft auswirken?

Ein Blick in die Geschichte zeigt: Vielen Menschen wird diese Entwicklung nicht schmecken. Davon geht zumindest James Bullard aus, Präsident und Leiter der US Federal Reserve Bank of St. Louis. Bullard ist einer von zwölf Regionalpräsidenten, die den Zentralbankabteilungen in den ganzen Vereinigten Staaten vorstehen.

Bei einer wissenschaftlichen Konferenz von Zentralbankern in New York sprach er davon, dass der Aufstieg der Kryptotechnik einen Drift hin zu einem System nicht mehr uniformer Währungen auslösen könnte.

Er selbst hat das Thema historisch untersucht. In den USA wurde bereits erlebt, was es heißt, wenn es kein einheitliches Geld mehr gibt. 1830 kam 90 Prozent der Dollarmenge in den Vereinigten Staaten in Form privater Banknoten auf den Markt. Das Problem: "Man würde mit den Scheinen in der Tasche sein Pferd besteigen, in die nächste Stadt reiten und könnte die Währung dann dort nicht mehr eins zu eins einsetzen." Die Umtauschraten zwischen verschiedenen privaten Banknoten fluktuierten also, ohne dass es dafür genau festzulegende Gründe gab.

Ein ähnliches Kurschaos sieht man in den Währungsmärkten der Neuzeit, so Bullard. Beispielsweise kann die Umtauschrate zwischen dem US-Dollar und dem japanischen Yen von Jahr zu Jahr um bis zu 15 Prozent fluktuieren, obwohl die grundlegenden Bewertungen der Volkswirtschaften beider Länder keineswegs soweit auseinanderliegen. Neue Teilnehmer auf dem Markt der Kryptowährungen würden das Problem genauso haben, sagt Bullard.

Facebook betont, dass Libra einen stabilen Wert haben wird, weil die Währung über Deckungskapital in Form von klassischen Währungen vor allem in Cash verfügt – Dollar, Pfund, Euro, Yen. Dieser Ansatz ähnelt dem anderer sogenannter Stablecoins, die aktuell im Trend liegen. Die Idee ist alt, meint Bullard. Schon früher hätten Nationen versucht, ihre Währung an andere Währungen zu koppeln, oft an den US-Dollar. In diesem Fall verspricht die Zentralbank, eine fixe Summe der heimischen Währung in Dollar zu tauschen. Solche Systeme hätten jedoch oft versagt, sagt Bullard – selbst in sehr großen Wirtschaften.

Der zentrale Faktor, der eine Währung stabil hält, ist die Vertrauenswürdigkeit ihres Herausgebers. Beispielsweise sorgte die instabile Politik in Venezuela in den letzten Jahren so einem Verfall der Währung gegenüber dem Dollar. "Ich denke, Kryptogeld könnte genauso an einem solchen Vertrauensverlust leiden", so Bullard. "Wenn man eine große Firma ist, virtuelle Coins ausgibt und dann ein Versagen des Geschäftsmodells erlebt oder die Leute nicht mehr an ein Unternehmen glauben, dann wird das sicher den Willen der Leute beeinflussen, diese Währung zu behalten." Und wenn sie Vertrauen verlieren, könnte es zu einem Zusammenbruch kommen.

In diesem Sinn sei es unwahrscheinlich, dass irgendeine andere Währung – egal welche – den Dollar vom Thron stößt. "Wem das gelingt, der braucht enorme Glaubwürdigkeit, was den zukünftigen Wert seiner Währung anbetrifft."

Für Libra ergibt sich noch ein anderes Problem, wie Katharina Pistor, Direktorin des Center on Global Legal Transformation an der Columbia Law School, argumentiert. Es werde schwierig, die Kopplung auf Dauer beizubehalten, besonders, wenn es zu einer Finanzkrise kommt. Stabile nationale Währungen lassen sich so nicht angreifen, meint sie.

Libra könnte allerdings in Ländern eine Chance haben, in denen Menschen das Vertrauen in einen Staatswährung verloren haben. Das könnte disruptive Effekte haben. Facebook will Libra weltweit einführen und dabei lokale Währungen als Tauschmittel zulassen. Pistor, die vor dem US-Kongress zum Thema aussagte, sieht noch eine weitere Schwierigkeit: Wenn man Libra stabil halten will, müsste es mit der jeweiligen Landeswährung gekoppelt sein. Und das hat wiederum Effekte auf den Währungsumtausch.

Das Ergebnis wäre eine moderne Version der Preisvolatilität, vor der Bullard aus den 1830ern warnt. Heutige Kunden mögen zudem ein solches Chaos nicht, glaubt er. Im 19. Jahrhundert kam der Staat schließlich zu dem Schluss, dass eine nationale Währung samt nationalem Banksystem hermusste. Das Chaos war beendet.

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