Hitzewellen in rascher Folge

Hitzeelle Ende Juli. Bild: ESA, CC BY-SA 3.0 IGO

Die Energie- und Klimawochenschau: Wetterbilanz für Juli, neue Klimamodelle und unrentable Braunkohlekraftwerke

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Selbst wenn die erste Julihälfte in Deutschland nicht durch besonders hohe Temperaturen hervorstach, machte die Hitzewelle im letzten Monatsdrittel dies wieder wett, so dass der Juli 2019 sich im Schnitt als zwei Grad wärmer erwies als in der Referenzperiode 1961 bis 1990.

Neue Temperaturrekorde wurden vom 24. bis zum 27. Juli reihenweise aufgestellt. An der Spitze stand Lingen im Emsland mit 42,6 Grad Celsius. Der bisherige Deutschland-Rekord von 40,3 °C, der sowohl am 5. Juli als auch am 7. August 2015 in Kitzingen gemessen wurde, wurde während dieser drei Tage mehrfach überboten. Temperaturen von über 40 Grad waren in Deutschland bisher eine Seltenheit, stellt der Deutsche Wetterdienst klar: "Von 1881 bis 2018 wurden in Deutschland insgesamt 10 Mal 40 Grad erreicht oder überschritten, jetzt im Juli 2019 25 Mal in nur 3 Tagen!"

Die Niederschlagsmenge lag in allen Bundesländern weit unterhalb des Durchschnitts für den Monat Juli. Für bemerkenswert hält der DWD "das erneute Auftreten mehrerer Hitzewellen in kurzer Zeit, so wie es in den Sommern der letzten zwei bis drei Jahrzehnte zunehmend zu beobachten war. Eine solche Entwicklung entspricht grundsätzlich auch den Aussagen der Klimaprojektionen, nach denen längerfristig im Laufe der kommenden Jahrzehnte mit einer Zunahme der Häufigkeit und auch Intensitäten von Hitzewellen zu rechnen ist."

Die Hitzewelle, die weite Teile Westeuropas betroffen hat, wäre ohne den Klimawandel eher unwahrscheinlich gewesen, erklären auch die Wissenschaftler vom World Weather Attribution Project. Ungewöhnlich sei zum einen die rasche Folge der Hitzewellen. Außerdem wären die Temperaturen bei Hitzewellen ohne menschlichen Einfluss auf das Klima um 1,5 bis 3 Grad geringer ausgefallen. Der menschliche Einfluss habe bei allen analysierten Hitzewellen der letzten Jahre (2003, 2010, 2015, 2017, 2018 und 2019) dazu geführt, dass diese sehr viel wahrscheinlicher und auch intensiver geworden sind.

Bisherige IPCC-Modelle zu optimistisch?

Neben den noch immer wütenden Waldbränden in Sibirien, denen bereits 3 Millionen Hektar Wald zum Opfer gefallen sind, und einer Rekordschmelze in Grönland scheint die Hitzewelle in Europa fast noch zu den harmloseren Manifestationen der Klimakrise zu gehören. Diese könnte noch weit gravierender ausfallen, als der Weltklimarat IPCC in seinen bisherigen Modellen berechnet hat.

Die australische Klimaforscherin Joëlle Gergis, die am 6. Sachstandsbericht des IPCC mitarbeitet, der im Jahr 2021 erscheinen soll, bringt in einem Artikel im australischen Magazin The Monthly zum Ausdruck, dass die Modelle aus dem 5. Sachstandsbericht noch zu optimistisch sein könnten. Gergis schreibt zu den wahrscheinlichen Folgen einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre von 280 ppm in vorindustrieller Zeit auf voraussichtlich 560 ppm im Jahr 2060:

Als der 5. Sachstandsbericht des IPCC im Jahr 2013 veröffentlicht wurde, wurde geschätzt, dass eine solche Verdoppelung der CO2-Konzentration wahrscheinlich zu einem neuen Gleichgewicht auf der Erde bei einer Temperaturerwärmung um 1,5 bis 4,5 Grad Celsius führen würde. Allerdings sind erste Schätzungen, basierend auf den aktuellsten globalen Klimamodellen, (die im nächsten IPCC-Sachstandsbericht 2021 verwendet werden), weit höher als bei der letzten Generation von Klimamodellen. Erste Berichte sagen voraus, dass eine Verdopplung des CO2-Gehalts zu einer Erwärmung zwischen 2,8 Grad und 5,8 Grad führen könnte. Das Unglaubliche daran ist, dass in mindestens acht der neuesten Modelle, die in führenden Forschungsinstitutionen der USA, Großbritanniens, Kanadas und Frankreichs erstellt wurden, eine Klimasensitivität von 5 Grad und mehr errechnet wurde.

Joëlle Gergis

Die alarmierenden neuen Ergebnisse, auf die Gergis an dieser Stelle aufmerksam macht, werden in Fachkreisen bereits seit März 2019 diskutiert.

Wissenschaftler fordern CO2-Preis

Angesichts immer alarmierender Erkenntnisse aus der Wissenschaft über das Voranschreiten der Klimakrise ist es auch kein Wunder, dass Wissenschaftler auch politisch Stellung beziehen und sofortige Klimaschutzmaßnahmen fordern - zumal die Politik bislang wenig tut, um das Pariser Abkommen auch umzusetzen.

So hat sich in Deutschland die Nationale Akademie Leopoldina in die Diskussion über einen CO2-Preis eingemischt. In einer im Juli veröffentlichten Ad-hoc-Stellungnahmen fordert die Leopoldina einen einheitlichen CO2-Preis in allen Sektoren. Dieser müsse schon zu Beginn erheblich höher sein als der derzeitige Preis (von rund 25 Euro pro Tonne) im europäischen Emissionshandelssystem. Alle, auch verkappte, Subventionen für CO2-intensive Technologien sollten abgeschafft werden.

In der Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass ein CO2-Preis alleine jedoch nicht ausreicht, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Dafür sollten unter anderem die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung transparent reinvestiert werden in eine kohlenstoffarme Infrastruktur und Allgemeingüter, in die relative Absenkung des Strompreises und in den sozialen Ausgleich in Form einer "Klimadividende". Ziel sei es, Anreize für ein klimaschützendes Wirtschaften und Verhalten zu setzen. Klimaschützendes Verhalten könne dann sogar zu einem finanziellen Gewinn für Konsumentinnen und Konsumenten führen, vor allem bei niedrigeren Einkommensgruppen.

Leopoldina

Braunkohle wird unrentabel

Eine gute Neuigkeit könnte sein, dass die deutschen Braunkohlekraftwerke nach Berechnungen des britischen Thinktanks Sandbag immer seltener profitabel arbeiten können. Das könnte zum einen dazu führen, dass sie doch früher stillgelegt werden als bis zum Jahr 2038, wie von der Kohlekommission vorgeschlagen. Zum anderen könnten der Öffentlichkeit damit hohe Entschädigungen an die Kraftwerksbetreiber erspart bleiben.

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Politik sich nicht auf überhöhte Forderungen der Kraftwerksbetreiber eingeht, sondern auf Basis realistischer Wirtschaftlichkeitsberechnungen verhandelt. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass die Betreiberunternehmen RWE und LEAG hierzu keine transparenten Zahlen veröffentlichen.

Dem Analysten Dave Jones zufolge, der die Studie verfasst hat, müssten die deutschen Braunkohlekraftwerke im ersten Halbjahr 2019 einen Verlust von 664 Millionen Euro eingefahren haben, im ersten Halbjahr 2018 hätte der Verlust bei 68 Millionen Euro gelegen. Die älteren, d.h. vor 1990 in Betrieb gegangenen Kraftwerke schnitten dabei wirtschaftlich deutlich schlechter ab als die neuere Hälfte des Braunkohlekraftwerksparks. So fuhren die älteren Kraftwerke in der ersten Jahreshälfte Verluste von 476 Millionen Euro ein, die neueren von 188 Millionen Euro. Für den Zeitraum von 2020 bis 22 prognostiziert Sandbag den älteren Kraftwerken einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro.

Berechnet wurden diese Werte und Prognosen aus den an der Börse erzielten Strompreisen, abzüglich der variablen Kosten (z.B. für die Braunkohle), des CO2-Preises sowie der Fixkosten für den Kraftwerks- und Tagebaubetrieb (laut Agora-Energiewende). Der jetzige Gewinneinbruch ist in erster Linie auf einen seit Jahresbeginn gesunkenen Preis an der Strombörse sowie einen steigenden CO2-Preis zurückzuführen.

Die realen Bruttogewinne bildet dieses Rechenmodell nicht ab, da ein Teil des Stroms per Termingeschäft verkauft wird. Trotzdem weist der Trend eindeutig in Richtung Unwirtschaftlichkeit - mehr noch, wenn sich die Politik zu einem festen CO2-Preis von über 30 Euro pro Tonne durchringen würde. Zudem müsste vor allem in die älteren Kraftwerke investiert werden, wenn diese ab 2021 weiterbetrieben werden sollen. Ab dann gelten auf EU-Ebene schärfere Grenzwerte für den Schadstoffausstoß. Die wichtigste Botschaft der Studie bleibt aber:

Politische Entscheidungsträger sollten die Schließung von Braunkohlekraftwerken beschleunigen und überzogene Entschädigungsforderungen ablehnen, da die Wirtschaftlichkeit von Braunkohle eingebrochen ist.

Sandbag

Von Fantasieforderungen wie die von RWE-Chef Rolf Martin Schmitz über 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro pro stillgelegtem Gigawatt sollten sich Politiker also besser nicht beeindrucken lassen.

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