Sharing von Autos, Häusern, Kleidern, Tretrollern: Geringer Nutzen für die Umwelt

In Zeiten, in denen Sharing-Angebote boomen, ist es leicht, sich gegen Besitz zu entscheiden und damit das eigene Gewissen zu beruhigen. Stimmt das?

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Sharing von Autos, Häusern, Kleidern, Scooter: Geringer Nutzen für die Umwelt

(Bild: kleiderei.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Larissa Schwedes
  • dpa

Die "Sharing Economy" boomt. Während Carsharing, Miet-E-Tretroller und Airbnb den meisten bekannt sein dürften, sprießen auch zunehmend Nischen-Angebote aus dem Boden: So lässt sich online Spielzeug ausleihen, in Bochum können Bienenvölker gemietet werden oder in Köln wird der Kleiderschrank mit fremden Menschen geteilt.

Letzteres ist das Konzept von Lena Schröder, die dem Überfluss der Textilindustrie den Kampf angesagt hat. Das Konzept ihrer "Kleiderei": Gegen einen regelmäßigen Mitgliedsbeitrag darf man sich pro Monat ein paar Kleidungsstücke ausleihen – und zwar auf unbegrenzte Zeit. "Ich hatte keinen Bock mehr auf 'Fast Fashion'", sagt die Gründerin. "Stil hast du, Kleider leihst du", steht an ihrem Laden. Drinnen hängen Blumenhosen neben Glitzerpumps, Lederschuhen, und Jeans. "Man bekommt die Befriedigung, etwas Neues zu haben – ohne sich langfristig darum kümmern zu müssen", erklärt Schröder.

Wer leiht, muss nicht kaufen – und verschwendet somit keine Ressourcen. So sind die Sharing-Modelle oft nicht nur gut für den Geldbeutel, sondern auch fürs Gewissen. Aber sind die Angebote wirklich so nachhaltig, wie sie klingen?

Maike Gossen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung hat mit Kollegen genau das untersucht und Folgendes herausgefunden: So wie die Sharing-Angebote heute genutzt werden, lässt sich allenfalls von einem geringen Nutzen für die Umwelt sprechen. "Das Versprechen, Sharing leiste einen Beitrag zur Entlastung der Umwelt, kann zwar bejaht werden – aber die Effekte sind geringer als immer so suggeriert wird", sagt Gossen.

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Die ernüchternde Ökobilanz hängt nach Ansicht der Forscher vor allem davon ab, wie die Angebote genutzt werden. "Sie sparen oder erhalten sogar Geld – und das geben Sie dann an anderer Stelle wieder aus", erklärt Gossen. In einigen Fällen entstehe durch ein Sharing-Angebot sogar zusätzlicher Konsum. Als Beispiel nennt Gossen Airbnb, durch das möglicherweise erst der Anreiz für manche Reise geschaffen wird – die dann wiederum zusätzlich die Umwelt belastet. Eine relativ positive ökologische Bilanz haben hingegen private Mitfahrgelegenheiten, durch die Extra-Fahrten eingespart werden.

"Es ergibt Sinn, wenn die angebotenen Produkte langlebig sind – und möglichst mit bereits Bestehendem gearbeitet wird", sagt Kleiderei-Betreiberin Schröder. Die Kleidung in ihrem Geschäft stammt aus Kleiderspenden oder von fair produzierenden Modelabels.

Für Unternehmen bietet der Zeitgeist des Teilens neue Möglichkeiten, um Geld zu verdienen. "Es ist sicherlich so, dass Unternehmen das als weitere Marktlücke definieren, um weitere Zielgruppen zu erreichen", sagt Verena Bax, die in der Umweltorganisation Nabu für Umweltpolitik zuständig ist. "Das Ganze schwimmt natürlich auf einer Nachhaltigkeitswelle."

Die Nabu-Expertin bewertet Sharing-Modelle grundsätzlich als positiven Beitrag zur Umweltentlastung, fügt allerdings hinzu: "Das ist sicherlich nicht etwas für Jedermann und Jederfrau. Nur wenige Menschen sind bereit, sich mit anderen Menschen etwas zu teilen und ihre Komfortzone zu verlassen."

Die Erkenntnisse von Maike Gossen und ihren Kollegen bestätigen diese These: So zählen nur rund 10 Prozent der von den Forschern Befragten zu den aktiven Nutzern, die das Sharing als Teil ihres Lebensstils sehen und viel nutzen. Jeweils knapp 20 Prozent sind pragmatische Nutzer oder solche, die der Idee gegenüber zumindest grundsätzlich positiv eingestellt sind. Allerdings lehnt auch fast jeder Fünfte das Konzept ab oder kann sich nicht vorstellen, es zu nutzen.

Trotzdem bewegt die Sharing Economy den einen oder anderen dazu, stärker über sein Konsumverhalten nachzudenken. Victoria Blechman ist seit mehr als drei Jahren Mitglied in der Kölner Kleiderei – zwar nicht als "Heavy Userin", wie sie selbst erzählt, sondern eher, um sich je nach Saison eine Winterjacke oder ein Paar Sandalen zu leihen. Mit der fairen Kleidung fing es bei der 30-Jährigen an, doch heute kauft sie auch häufiger Bio-Produkte. "Man bekommt ein anderes Gefühl für die Wertigkeit von Dingen", erzählt Bechman. "Ich kann heute nicht mehr in einen H&M reingehen und mir da einfach was kaufen." (anw)