Forscherteam: Mit einem Selfie den Blutdruck messen

Ein 2-Minuten-Video des eigenen Gesichts genügt, um Blutdruckprobleme festzustellen – so die Vision eines kanadisch-chinesischen Forscherteams.

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Mit einem Selfie den Blutdruck messen

(Bild: University of Toronto (Screenshot aus Video))

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dorothee Wiegand
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Kanadische Forscher haben einen Weg gefunden, um anhand von Selfie-Videos Aussagen über den Blutdruck der abgebildeten Person zu treffen. Schon zwei Minuten Videomaterial genügten der von den Forschern entwickelten App, um in ersten Tests die Blutdruckwerte der Probanden zuverlässig zu bestimmen. Allerdings funktioniert das Verfahren vorerst nur bei Personen mit heller Haut, die zudem relativ normale Blutdruckwerte aufweisen müssen.

Professor Kang Lee von der University of Toronto leitet das Forschungsprojekt. Der Psychologe und seine Mitarbeiter arbeiten gemeinsam mit Mediziner-Teams von der Hangzhou Normal University und der Zhejiang Normal University in China an dem Projekt. Am vergangenen Dienstag veröffentlichten sie in einem medizinischen Fachmagazin eine erste Machbarkeitsstudie. Lee und sein Post-Doc Paul Zheng entwickelten ein Verfahren, dass sie "transdermal optical imaging" nennen.

Bisher wurden 1.328 erwachsene Kanadier und Chinesen untersucht, indem von ihnen mit einem iPhone ein zweiminütiges Video des Gesichts aufgenommen wurde. Für bestimmte Arten von Blutdruck sei die Messung so mit einer Genauigkeit von 95 bis 96 Prozent möglich gewesen, heißt es in der Meldung der University of Toronto zu diesem Projekt. Dabei waren die Forscher zufällig auf das zugrundeliegende Verfahren gestoßen: Eigentlich hatten sie einen kontaktlosen Lügendetektor bauen wollen.

Das Verfahren nutzt die Tatsache aus, dass die Gesichtshaut lichtdurchlässig ist. Das Licht durchdringt die oberste Schicht der Haut und trifft darunter auf den roten Blutfarbstoff. Mit den Sensoren im Smartphone lasse sich das reflektierte rote Licht erkennen, heißt es in der Beschreibung des Verfahrens weiter. "Wir können sehen, wie das Blut in unterschiedlichen Bereichen des Gesichts fließt und aus der Zu- und Abnahme des Blutflusses Rückschlüsse ziehen", so Lee.

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Inzwischen hat Professor Lee ein Start-up namens Nuralogix gegründet. Das Unternehmen hat die App Anura herausgebracht (für iOS und Android). Mit der öffentlich zugänglichen Version dieser App kann der Nutzer 30-Sekunden-Videos analysieren. Als Ergebnis erfährt er etwas über sein Stress-Level und seinen Puls. Im nächsten Schritt soll in China eine Version der App erscheinen, die auch den Blutdruck messen kann.

Für die erste Studie hatten die Forscher lediglich mit Probanden gearbeitet, die normalen bis ganz leicht erhöhten Blutdruck hatten. Auch seien Menschen mit sehr dunkler oder sehr heller Haut bisher noch nicht untersucht worden. Bevor die App sinnvoll eingesetzt werden kann und insbesondere im Fall von zu hohen Blutdruckwerten zuverlässig warnt, sei noch viel Forschung notwendig, betonen die Wissenschaftler. Es müssten vor allem noch viele Daten von Menschen mit Bluthochdruck erhoben werden, was schwierig sei, weil die meisten Patienten mit dieser Diagnose Medikamente nehmen, die den Blutdruck senken. Die Forscher hoffen, dass sie die Analyse-Möglichkeiten des Verfahrens künftig auf weitere Messungen, beispielsweise von Blutzucker, Hämoglobin und Cholesterin ausweiten können.

Die Sicherheit der sensiblen Daten sehen die Forscher gewährleistet. Nachdem der Nutzer ein Video aufgenommen und mit Hilfe der App analysiert habe, würden lediglich die Messwerte selbst, nicht jedoch das Bildmaterial in der Cloud gespeichert, es bestünde keine Verbindung zum Namen des Nutzers, heißt es in der Beschreibung. (dwi)