Einbrechende Verkaufszahlen: Huawei spürt US-Sanktionen in Europa

In Europa schrumpft der Handy-Absatz von Huawei. Der Chef des Unternehmens will die US-Sanktionen aber mit einer "unbesiegbaren Eisenarmee" überstehen.

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Google sperrt Android-Updates und den Play Store für Huawei

(Bild: heise online; Daniel Herbig)

Lesezeit: 4 Min.

Die US-Sanktionen gegen Huawei beeinträchtigen die Smartphone-Verkäufe des Telekommunikationsriesen: Huawei hat einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Canalys zufolge im zweiten Quartal 2019 einen Umsatzeinbruch auf dem europäischen Smartphone-Markt erlebt. Demnach hat Huawei in den Monaten April bis Juni 2019 nur noch 8,5 Millionen Geräte ausgeliefert, im Vorjahreszeitraum waren es 11,1 Millionen.

Im Mai hatte die US-Regierung um Donald Trump Huawei wegen angeblicher Spionage auf eine Boykott-Liste gesetzt und US-Unternehmen damit die Geschäftsbeziehungen zu Huawei untersagt. Die resultierenden Lieferstopps dürften Huawei nicht unmittelbar getroffen haben, das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge wichtige Hardware-Komponenten auf Vorrat gelagert. Zum Rückgang der Verkaufszahlen dürfte aber die Verunsicherung um die Zukunft von Huawei-Handys beigetragen haben, zumal auch Android-Entwickler Google prompt die Geschäfte mit Huawei einstellte.

Diese Unsicherheit trifft Huawei vor allem auf dem europäischen Markt: Viele europäische Nutzer können es sich wohl kaum vorstellen, ein Handy mit eingeschränktem Android-Betriebssystem zu kaufen. Auf dem chinesischen Heimatmarkt ist eine mögliche Google-Blockade dagegen kaum Anlass zur Sorge. Huawei tritt dort mit einem eigenen App-Store auf, Google-Dienste wie Maps oder Mail werden durch die staatliche Firewall ohnehin blockiert. Auf globaler Ebene konnte Huawei sein Wachstum daher auch im zweiten Quartal fortsetzen. In den USA selbst spielen Huawei-Handys nur eine untergeordnete Rolle, weil die dortigen Mobilfunkbetreiber sie nicht im Angebot haben.

In Europa bleibt Huawei laut Canalys-Report trotz sinkender Absätze mit 18,8 Prozent Marktanteil auf Platz 2 der Smartphone-Hersteller. Von der Sorge um Huaweis Europa-Zukunft profitierte vor allem Marktführer Samsung, der seinen Anteil auf 40,3 Prozent ausbauen konnte. "Samsung hat Huaweis Boykott-Probleme schnell ausgenutzt", schreibt Canalys-Analyst Ben Stanton. "Das Unternehmen hat hinter den Kulissen daran gearbeitet, sich gegenüber wichtigen Verkäufern und Mobilfunkbetreibern als verlässliche Alternative zu positionieren."

Huaweis chinesischer Konkurrent Xiaomi legte im Vergleich zum Vorjahr um starke 48 Prozent zu und hat nun einen Marktanteil von 9,6 Prozent. Xiaomi rangiert damit hinter Apple auf Platz 4 der Handy-Hersteller. Auf Platz 5 folgt Nokia-Hersteller HMD Global.

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Huawei hatte sich in seinen öffentlichen Reaktionen auf die US-Sanktionen betont entspannt gegeben. Seinen Kunden gab das Unternehmen ein Zukunftsversprechen, das Sicherheits- und Versionsupdates für bereits verkaufte Huawei- und Honor-Handys garantiert. Dass der Geschäftsboykott gerade in Europa Wirkung zeigt, war aber nicht zu leugnen: Verkaufszahlen in Deutschland stürzten ab, die Markteinführung des Honor 20 und 20 Pro verzögerte sich. Der Release des Falthandys Mate X wurde außerdem auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Um in Zukunft unabhängiger von den USA – und damit von Google – auftreten zu können, hat Huawei zuletzt die Arbeit an einem eigenen Betriebssystem beschleunigt. Vorgestellt wurde "HarmonyOS" in der vergangenen Woche auf der Huawei-Entwicklerkonferenz im chinesischen Dongguan. HarmonyOS ist ein flexibles Microkernel-OS, das zuerst auf einem Smart-TV von Honor zum Einsatz kommen soll. Laut Huawei-Manager Richard Yu könnte HarmonyOS aber jederzeit auch auf Smartphones installiert werden.

Bis auf Weiteres will Huawei im Android-Ökosystem bleiben. US-Präsident Trump hatte im Juli in Aussicht gestellt, einigen US-Unternehmen die weitere Zusammenarbeit mit Huawei zu gestatten. Wie es jetzt weitergeht und was das für die Android-Zukunft von Huawei bedeutet, ist aber immer noch offen.

Huawei-Chef Ren Zhengfei hat in einer internen Memo, die der Nachrichtenagentur Bloomberg vorliegt, deutliche Worte zum Umgang mit dem US-Boykott gefunden. "Wir müssen uns unter schwierigen Bedingungen neu erfinden und eine unbesiegbare, eiserne Armee aufbauen, die uns zum Sieg führen kann", schrieb er laut Bloomberg in einem auf den 2. August datierten Brief an Huawei-Mitarbeiter. Dieser Umbau müsse in drei bis fünf Jahren abgeschlossen sein. (dahe)