Stütze für die Schlagader

Gefäßerweiterungen der großen Bauchschlagader sind lebens­bedrohlich, aber bisher nur schwierig zu behandeln. Isabel ­Schellinger (31) entwickelt mit ihrem Start-up Angiolutions einen­Stabilisator für das Blutgefäß.

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Stütze für die Schlagader
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TR: Bauchaorten-Aneurysmen kennt man lange und eigentlich gut – was haben Sie gesehen, was andere Ärzte nicht gesehen haben?

Schellinger: Die Schlüsselbeobachtung haben mein Kollege Uwe Raaz und ich bei Ultraschalluntersuchungen gemacht. Es hat uns irritiert, dass das Aneurysma hart und prall ist. Am Ende ist das banale Physik, aber sie hat uns näher hinsehen lassen. Wir haben festgestellt, dass dort, wo das Aneurysma beginnt, ein "Bordstein" ist. Davor ist das Gefäß sehr viel weicher. Wir glauben, dass diese Steifigkeitsunter­schiede das Wachstum begünstigen, weil starke mechanische Kräfte an dem Übergang wirken.

Weshalb sind Bauchaorten-Aneurysmen so gefährlich?

Die Bauchaorta ist unsere Hauptschlagader, und Aneurysmen können dazu führen, dass sie platzt. Es überleben nur um die 10 bis 20 Prozent der Leute, die ins Kran­kenhaus kommen. Vor dem Platzen verursachen die Aus­sackungen keine Beschwerden und sind oft ­Zufallsbefunde.

(Bild: Angiolutions)

Wie wollen Sie dem entgegenwirken? Ihr Adapter sieht aus wie die bekannten Gefäß-Stents.

Ein Stent funktioniert wie eine Art Röhre, um ein Gefäß aufzuhalten. Diese Funktion spielt für uns keine Rolle. Unseren Adapter schmiegen wir von innen an die Gefäßwand, sodass die Steifigkeitsunterschiede ausgeglichen werden. Er sieht wie ein flexibles Gitter aus, die Materialeigenschaften stabilisieren das Gefäß im Bereich des Aneurysmas. Über das Material darf ich leider aus patentrechtlichen Gründen keine genauen Auskünfte geben.

Die bisherige Therapie ist, gefährlich große ­Aneurysmen durch Gefäßprothesen zu ersetzen. Wäre es nicht das Beste, das bei allen zu tun?

Nicht jedes kleine Aneurysma wird gefährlich. Sie werden erst kritisch, wenn sie eine Größe von etwa fünf Zentimetern erreicht haben. Solange wird nicht behandelt, sondern nur beobachtet. Das bedeutet aber, dass Patienten mit kleinen Aneurysmen um ihre potenziell lebensbedrohliche Erkrankung wissen – aber nicht, wann sie bedrohlich wird. Diesen Patienten wollen wir helfen.

Wie weit sind Sie?

Wir sind noch im Tierversuch. Die Endergebnisse ­werden uns sagen, ob wir es in Menschen verwenden können. Wir sind zuversichtlich, dass in wenigen Jahren unser erster Adapter eingesetzt wird.

Entwicklungen im Medizinbereich sind sehr teuer. Wie finanzieren Sie das?

Wir haben großes Glück gehabt, dass viele Leute sich in der Idee wiedergefunden haben. Wir haben Förderungen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung bekommen und sind letztes Jahr als erstes deutsches Unternehmen in den Texas Medical Center Accelerator aufgenommen worden. Das Texas Medical Center ist das größte Krankenhaus der Welt, zehnmal so groß wie die Charité, mit zehn Millionen Patienten pro Jahr.

Worin sehen Sie künftig Ihre Rolle?

Wir wollen mit Angiolutions kein Unternehmen mit einem Produkt bleiben. Ich bezeichne mich gern als "Clinical Inventor". Ich glaube, dass eigentlich jeder, der im Medizinsystem arbeitet und die Augen offenhält, ein ­toller Erfinder sein kann und man diese Ideen nur ­umsetzen muss.

(jle)