Zähmung der Quanten

Quantencomputer sind die große Hoffnung für die Suche nach neuen Materialien, vom Katalysator bis zum Supraleiter. Sebastian Zanker (31) schreibt die Software dafür – erste Unternehmen nutzen sie bereits.

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Zähmung der Quanten
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Als „Vaporware“ bezeichnet man in der IT ein Produkt, das es – noch – gar nicht gibt, das dafür aber mit umso größerer Verve angekündigt wird. Ob die Versprechungen jemals eingelöst werden können, bleibt oftmals mehr als ungewiss.

Verkaufen Sebastian Zanker und seine Kollegen von HQS Quantum Simulations also Vaporware? Schließlich ist der Physiker Zanker CTO eines Unternehmens, das Software für Quantencomputer entwickelt – Geräte, die zwar eines Tages schneller sein sollen als die stärksten Supercom­puter der Welt, die es aber noch gar nicht gibt. Bestenfalls geben Laborprototypen und eingeschränkt nutzbare Spezialrechner einen Vorgeschmack auf die Möglichkeiten dieser Technologie.

(Bild: HQS Quantum Simulations)

Doch Zanker macht nicht nur Versprechungen: Quasi aus dem Stand heraus arbeitet das junge Start-up mit namhaften Kunden wie Merck, Bosch und BASF zusammen. Woran die Kunden von HQS interessiert sind, kann und will Zanker zwar nicht verraten. „Da sind mir die Hände gebunden“, sagt er. Aber die Funktionsweise von Quantencomputern gibt Anhaltspunkte: Dass sie sich hervorragend dafür eignen müssten, die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Materialien vorherzusagen, davon war Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman bereits 1982 überzeugt. Medikamente, Katalysatoren oder Energiespeicher könnten quasi am Schreibtisch entworfen werden, indem man ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften zunächst simuliert und Experimente nur mit den vielversprechenden Kandidaten durchführt. Mithilfe von Quantencomputern ließen sich also neue Katalysatoren für die Kraftstoff- und Düngerherstellung suchen oder neue Supraleiter, die bei Zimmertemperatur keinerlei elektrischen ­Widerstand mehr aufweisen.

Feynman schlug vor, analoge Quantencomputer zu entwickeln, die ähnlich wie im Windkanal Modellsysteme bilden – ein Ansatz, den heute beispielsweise Forscher am Institut für Quantenoptik in Garching und an der Universität Innsbruck verfolgen. Das Verfahren hat allerdings einen großen Nachteil: In digitalen, universellen Quantencomputern kann man auftretende Fehler korrigieren, indem man mehrere physikalische Qubits zu logischen Qubits zusammenfasst. Das ist bei analogen Simulatoren nicht möglich. Im Unterschied dazu setzt HQS deshalb auf frei programmierbare Quantencomputer, wie sie zum Beispiel von Google und IBM entwickelt werden. Dabei benutzen die Karlsruher etablierte quantenchemische Verfahren, die heute bereits auf klassischen Rechnern laufen, die aber zu rechenintensiv sind, um praktisch anwendbar zu sein. Diese Verfahren setzen Zanker und Kollegen jetzt auf Quantencomputern um, denn deren Rechenkapazität soll zukünftig auch die Simulation größerer Moleküle oder gar Festkörper ermöglichen. Das Vorgehen von HQS habe mehrere Vorteile, sagt Zanker: Man finde die Lösung „exakter und schneller“ als mit der analogen Methode. Außerdem soll die HQS-Software zukünftig auch Reaktionsraten mit anderen Stoffen liefern. Vor allem aber setzen die Karlsruher darauf, dass ihre Software-Bausteine, einmal entwickelt, voll und ganz vom künftigen Fortschritt bei der Quanten-Hardware profitieren und nicht an jeden neuen Quantencomputer mühsam angepasst werden müssen.

Noch ist das Zukunftsmusik. Zwar könne man mit heute existierenden 50-Qubit-Systemen „auch schon interessante Sachen machen“, sagt Zanker. „Aber es ist klar, dass die Hardware-Hersteller ihre Hausaufgaben machen müssen.“ Wenn sie die erledigt haben, wird es für HQS richtig spannend.

(wst)