"Ich habe die Hochschule geschaffen, an der ich gern studiert hätte"

Was er an normalen deutschen Universitäten vorfand, gefiel Thomas Bachem (33) nicht. Also gründete er kurzerhand seine eigene: die CODE University. Mittlerweile ist sie eine staatlich anerkannte Privatuniversität mit derzeit 230 Studierenden. Noten gibt es nicht. Was ist sonst noch anders?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
"Ich habe die Hochschule geschaffen, an der ich gern studiert hätte"
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christian Honey

TR: Herr Bachem, wieso haben Sie eine Universität gegründet?

Bachem: Seit meinem zwölften Lebensjahr bin ich Software-Entwickler. Nach der Schule, auf der Suche nach einem Studiengang, habe ich feststellen müssen, dass alle Studiengänge, die etwas mit Programmierung zu tun haben, extrem theorie- und mathematiklastig sind, besonders die Informatik. Mit der CODE habe ich die Hochschule geschaffen, an der ich gern studiert hätte.

Was hat Ihnen in der Informatik konkret gefehlt?

Digitale Produktentwicklung schließt nicht nur Programmieren ein, ­sondern Konzeption, psychologisches und grafisches Design und Team­arbeit. Die meisten Informatikstudiengänge beschäftigen sich aber ­heute wie damals vor allem mit theoretischen Grundlagen. Praxis- und Übungs­aspekte tauchen kaum auf.

Wie sieht der Unterricht an Ihrer Hochschule dagegen aus?

Wir sind von klassischen Vorlesungsformaten abgerückt. Die reine ­Wissensvermittlung muss heute nicht mehr in der Hochschule statt­finden – Zugang zu Wissen ist durch das Internet sehr einfach. Statt­dessen trainieren wir neben dem reinen Programmieren Fähigkeiten wie Kol­la­boration, Arbeiten in Teams und wie man sich Themenfelder erschließt. Deshalb ist unsere Didaktik komplett projektorientiert.

(Bild: Paulina Hildesheim)

Wie sehen diese Projekte aus?

Der Fokus liegt zwar auf der Entwicklung von Software. Hardware und Software werden aber immer stärker im Einklang genutzt. Deshalb bilden unsere Projekte solche Anwendungen ab: Zum Beispiel funktionieren E-Scooter nur, weil die Software hinter dem System die Flotte koordiniert. An solchen Problemen üben unsere Studenten ihr Handwerk.

Welche Studiengänge gibt es?

Zurzeit drei: Software Engineering, Interaction Design und Digital Product Management. Sie spiegeln die drei Rollen bei der digitalen Produktentwicklung wider. In unseren Projekten arbeiten immer Studenten aller drei Studiengänge zusammen.

Auf Ihrer Webseite heißt es, Sie bilden die „Game-Changer der ­Zukunft“ aus. Was muss man mitbringen, um einen der Plätze pro Jahrgang zu ergattern?

Unsere Studenten denken unternehmerisch, müssen aber auch Gegebenes infrage stellen können und einen Drang haben, die Welt durch Technologie zu verbessern. Wir haben deshalb für alle Studenten ein verpflichtendes Programm zu den positiven und negativen Konsequenzen von Technologie auf die Gesellschaft. Wir versuchen also nicht nur fachlich versierte, sondern auch ethisch reflektierte Menschen auszubilden.

Sie schreiben außerdem: „Noten spielen keine Rolle bei der Bewerbung“. Warum?

Schulnoten verraten wenig über die Fähigkeiten eines Menschen. Wichtiger sind uns ernsthaftes Interesse an unserem Themenfeld, eine gesunde Neugier und Bereitschaft zur Teamarbeit. Wir selbst vergeben auch keine Noten, sondern erstellen ein „Kompetenzraster“ für über hundert Fähigkeiten wie Projektmanagement oder den Umgang mit Datenbanken. Die Studenten können sich auf Kompetenzen prüfen lassen. Es gibt nur zwei mögliche Resultate: bestanden oder nicht bestanden.

Das Studium kostet rund 30 000 Euro. Wie kann sich das jemand ­leisten, der keine reichen Eltern hat?

Zwei Drittel unserer Studenten zahlen keine Gebühren während des ­Studiums. Erst wenn sie einen Job gefunden haben, zahlen sie einen ­Prozentsatz ihres Einkommens zurück. Jeder hat also die Möglichkeit, bei uns anzufangen, unabhängig vom finanziellen Hintergrund.

Der Frauenanteil in der Informatik liegt traditionell um die 20 Prozent. Wie sieht das bei Ihrer Uni aus?

Leider genauso. Wir glauben, dass das Interesse für das Programmieren im Jugendalter entsteht oder verloren geht. Deswegen haben wir die Initiative Code + Design ins Leben gerufen, die für Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren bundesweit Hackathons organisiert. Dort sind es schon 35 bis 40 Prozent Mädchen. Wir hoffen, dass sich das in ein paar Jahren bei den Bewerbern widerspiegelt.

(jle)