Das Planeten-Teleskop

Die Lichtsammelkraft eines „Terraskops“ mit der Erdatmosphäre als Riesenlinse könnte die von sämtlichen denkbaren Teleskopen auf unserer Welt übertreffen.

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Das Planeten-Teleskop

(Bild: James Tuttle Keane / California Institute of Technology)

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Teleskope sind teure Geräte. Der 25-Meter-Spiegel des riesigen Magellan-Teleskops, das derzeit in der Atacama-Wüste in Chile gebaut wird, wird rund eine Milliarde Dollar kosten. Weltraumteleskope sind noch kostenintensiver. Die schon oft verschobene Konstruktion des James Webb-Weltraumteleskops, das Hubble 2021 ersetzen soll und über einen 6,5-Meter-Spiegel verfügt, schlägt mit mehr als zehn Milliarden Dollar zu Buche. Deshalb suchen Astronomen nach innovativen neuen Wegen, um das Himmelszelt sichtbar zu machen, die nicht die Welt kosten.

Hier kommt David Kipping von der Columbia University in New York mit seinem auf dem Open Access-Portal ArXiv veröffentlichten Vorschlag ins Spiel, mithilfe der Erdatmosphäre Licht aus dem Weltall zu fokussieren. Unser Planet wäre also eine Art Riesenlinse. Würde man dann ein Weltraumteleskop im Brennpunkt platzieren, könnte es die Bilder aufnehmen. Das sogenannte Terraskop besäße die Lichtsammelkraft eines 150-Meter-Teleskops auf der Erde – für einem Bruchteil der Kosten.

Astronomen wissen seit langem, dass die Atmosphäre das durch sie hindurchtretende Licht bricht. Durch diesen Effekt sähe man eine untergehende Sonne etwas mehr als ein halbes Grad höher im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Position, schreibt Kipping. Seine Idee ist es, diesen Effekt auf planetarischer Ebene auszunutzen. „Ein Beobachter, der sich in einer Entfernung von ungefähr des Erde-Mond-Abstandes oder weiter draußen befände, könnte die Erde als refraktive Linse nutzen", schreibt er.

Kipping hat einige Zeit damit verbracht, die Eigenschaften eines solchen Objektivs zu simulieren und zu untersuchen, wie sie in einem riesigen Terraskop genutzt werden könnten. Die Herausforderungen sind vielfältig. Zum einen bricht die Atmosphäre das Sternenlicht, wenn es durch sie hindurchgeht. Der Grad der Brechung hängt jedoch von der Dichte der Atmosphäre ab, die je nach Höhe über der Oberfläche variiert. So wird Licht, das die obere Atmosphäre durchdringt, weniger gebrochen als Licht, das tiefer in die Atmosphäre eindringt.

Verschiedene Faktoren begrenzen jedoch, wie tief Licht in die Atmosphäre eindringen kann. Das offensichtlichste ist, dass das Licht die Erde selbst vermeiden muss. Aber auch Wolken absorbieren Licht, sodass es hoch genug über der Oberfläche eindringen muss, um diese zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die Atmosphäre und etwa darin enthaltenen Aerosole bestimmte Lichtfrequenzen absorbieren. Kipping musste also herausfinden, wie viel Licht durch diesen Prozess verloren gehen könnte.

Darüber hinaus leuchtet die Atmosphäre schwach, was das Licht von entfernten astrophysikalischen Quellen unterdrücken könnte. Dieses sogenannte Nachthimmelsleuchten (airglow) – das Ergebnis von Prozessen wie die Neukombination von Molekülen, die durch Sonnenlicht gespalten wurden – bedeutet, dass der Himmel niemals vollständig dunkel ist.

Kipping weist jedoch darauf hin, dass der größte Teil dieses Lichts durch einen sogenannten Koronagraphen blockiert werden könnte. Das ist im Wesentlichen eine kleine Scheibe auf dem Terraskop, die das Licht von der Erde und sogar vom unteren Bereich der Atmosphäre blockiert, wo keine hilfreiche Linseneffekte auftreten.

Auch das Ausdehnen und Zusammenziehen der Atmosphäre, wenn es wärmer oder kälter ist, würde die Brennweite des Terraskops verändern. Es wäre also wichtig, die optimale Umlaufbahn für das Gerät zu finden.

Kippings Berechnungen legen nahe, dass ein Ein-Meter-Weltraumteleskop, das die Erde in einer Entfernung von 360.000 Kilometern umkreist – sich also etwas näher befände als der Mond –, optimal wäre. Das Gerät sollte Licht sammeln, das nicht weiter als 14 Kilometer in die Erdatmosphäre eingetaucht ist und damit weit über den Wolken bleibt. Wenn unser Planet als Linse fungiert, wird das fokussierte Licht während einer Belichtungszeit von 20 Stunden um den Faktor 45.000 verstärkt. Dies entspricht der Verstärkung eines Bodenteleskops mit einem Durchmesser von 150 Metern.

Laut Kipping hätte ein Terraskop ein erhebliches Potenzial. Zwar hat er die Kosten einer solchen Maschine noch nicht berechnet, doch seinen Kalkulationen zufolge würde bereits ein 100-Meter-Teleskop auf der Erde rund 35 Milliarden Dollar verschlingen und das kombinierte Budget der NASA und der National Science Foundation übersteigen.

Wäre es überhaupt möglich, ein solches Ein-Meter-Teleskop in einer Entfernung von 360.000 Kilometern zu einem geringeren Preis zu bauen und zu betreiben? Wahrscheinlich ja. Eines der erfolgreichsten Observatorien der letzten Jahre war das Kepler-Weltraumteleskop, mit dem zahlreiche erdähnliche Planeten entdeckt wurden, die andere Sterne umkreisen. Das Teleskop umkreiste die Sonne in einer Entfernung von mehr als 150 Millionen Kilometer. Die Mission dauerte neun Jahre, bis der Treibstoff knapp wurde, und kostete gerade mal 550 Millionen Dollar kostete. Wenn diese Zahlen stimmen, könnte ein Terraskop ein bemerkenswertes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.

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