Mathematik erleichtert die Ermittlung von Proteinstrukturen

Bisher war unklar, warum zwei Messmethoden unterschiedlich präzise Ergebnisse liefern. Neue mathematische Modelle liefern Antworten und zeigen, wie sich die etwa für Medikamente wichtige Proteinstruktur-Vermessung genauer machen lässt.

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Mathematik erleichtert die Ermittlung von Proteinstrukturen
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Von
  • TR Online

Proteine ​​sind die Bausteine ​​des Lebens. Sie bestehen aus langen Ketten von Aminosäuren, die sich von alleine zu molekularen Maschinen von außerordentlicher Komplexität zusammenlagern. Diese Maschinen umfassen unter anderem die sogenannten Ribosome, die einzelne Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge aneinanderreihen, ebenso wie die Mikrotubuli genannten Zellgerüste und beinähnlich laufende Transportmoleküle namens Kinesin.

Dieser Prozess der Selbstorganisation ist eines der großen Wunder der modernen Wissenschaft. Man kann es sich so ähnlich vorstellen, als würden sich Legosteine plötzlich von selbst zu einem Roboter zusammenfügen. Niemand weiß genau, wie es geschieht, aber Wissenschaftler wissen, dass die resultierende Struktur die Funktion des Proteins und seine Interaktion mit anderen Proteinen bestimmt.

Die Struktur von Proteinen zu bestimmen ist daher eine entscheidende Aufgabe. Die gebräuchlichste Methode ist, die Proteine zu kristallisieren und anschließend per Röntgenkristallographie Proteinstruktur zu ermitteln. Das Problem dabei ist, dass die meisten Proteine ​​keine Kristalle bilden. Und selbst wenn dies der Fall ist, nehmen die Proteinmoleküle möglicherweise nicht alle dieselbe Form an, wenn sie eng zusammengepackt werden, was zu Ungenauigkeiten führt. Die zweite wichtige Technik namens Kernspinresonanz-Spektroskopie erzeugt Bilder von gelösten Proteinen, erfordert jedoch, dass die Moleküle eng in Bündel gepackt werden. Auch das können nur wenige Proteine.

Allerdings können einige wenige Proteine mit beiden Techniken vermessen werden. Das ist praktisch, weil Molekularbiologen so die Ergebnisse miteinander vergleichen können. Tatsächlich unterscheiden sich oft erheblich, ohne dass klar ist, was genau die Unterschiede verursacht und wie sie zu interpretieren sind.

Zhe Mei und Kollegen an der Yale University in New Haven haben nun erste Antworten auf diese Fragen gefunden und auch ermittelt, wie man aus den Unterschieden eine Korrektur berechnen kann. Wie das Team in einem Artikel im Open Access-Portal ArXiv schreibt, erstellte es zunächst eine Datenbank mit Proteinen, deren Strukturen mit beiden Techniken in hoher Auflösung bestimmt wurden. Das ist eine relativ kleine Liste mit nur 16 Proteinen.

Anschließend erstellten die Forscher eine weitere Datenbank mit röntgenkristallographisch ermittelten Proteinstrukturen, die bei unterschiedlichen Temperaturen von verschiedenen Molekülgruppen bestimmt werden. So konnte das Team untersuchen, wie die Temperatur die Struktur beeinflusst. Zum Schluss konstruierten die Wissenschaftler ein mathematisches Modell der Art und Weise, wie sich Proteine ​​zu festen Kristallen oder zu Bündeln in Lösung für die Kernspinresonanz-Spektroskopie-Methode zusammenlagern.

Es zeigte sich, dass die Packungsdichte den Unterschied in der Struktur für beide Techniken genau erklären kann. Dabei weisen die Bündel in Lösung eine höhere Dichte als Kristalle auf. Die Forscher können ihr mathematisches Modell weiter optimieren, indem sie die zur Erzeugung der Packungen verwendete Wärmeenergie variieren. Tatsächlich hat eine Proteinpackung, die nicht durch die Temperatur beeinflusst wird, ungefähr die gleiche Dichte wie röntgenkristallografisch ermittelten Strukturen.

Dies legt nahe, dass die Temperatur eine wichtige Rolle für die Struktur der Proteinpackung spielt, da die durch Kernspinresonanz-Spektroskopie bestimmten Strukturen dichter sind. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass thermisch aktivierte Systeme dichter als athermische Systeme packen können, was eine physikalische Grundlage für die strukturellen Unterschiede zwischen durch Kernspinresonanz-Spektroskopie und Röntgenkristallographie gelösten Proteinstrukturen nahelegt", sagen Mei und Co.

Die Temperatur ist jedoch nicht die einzige Einflussgröße. Kristallisierte Proteine werden gezwungen, eine bestimmte Form anzunehmen, und dies verringert das Ausmaß der thermischen Verformung, die das Molekül eingehen kann. Die Ergebnisse von Mei und Co werfen also eine interessante Frage auf: Inwieweit ist die Proteinstruktur das Ergebnis der Temperatur oder der Kristallpackung? Für Antworten ist weitere Forschung nötig.

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