Time-AI-Erfinder verklagt Black Hat: Nach 115.000-Dollar-Vortrag verspottet

Krypto-Schlüssel aus der Zukunft waren von Sicherheitsexperten auf der Black Hat verspottet worden. Nun klagen die Erfinder gegen "unfaire Behandlung".

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Time-AI-Firma verklagt Black Hat: Nach $115.000-Vortrag verspottet

So oder so ähnlich können sich die Besucher der Black-Hat-Veranstaltung zu "Time AI" während des Vortrags verhalten haben.

(Bild: Pixabay)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel

Die kalifornische Firma Crown Sterling verklagt den britischen Event-Veranstalter UBM in den USA in Zusammenhang mit der Security-Konferenz Black Hat. Vor knapp zwei Wochen hatte ein Vertreter der Firma auf der Black Hat einen Vortrag über eine neue Technik namens "Time AI" gehalten und war danach von der Gemeinde der Sicherheitsforscher in mehreren sozialen Netzwerken verspottet worden. Schon während der Konferenz hatten Zuhörer dem Vortragenden lauthals Paroli geboten. "Sie sollten sich schämen, Black Hat wird das alles aus dem Internet löschen", äußerte sich ein Besucher des Vortrags in einem Video auf Twitter. Wie nun ans Licht kam, hatte Crown Sterling 115.000 US-Dollar für den Vortrag bezahlt und will, nach der öffentlichen Schelte, Geld vom Veranstalter der Black Hat zurück.

In der Klageschrift, die beim Southern District Court in New York einging, wirft Crown Sterling zehn unbekannten Personen vor, die Präsentation behindert zu haben. "Eine kleine Gruppe von Lästerern hat die Konferenz genutzt, um eine Social-Media-Verleumdungskampagne anzuzetteln", heißt es in der Beschwerde an das Gericht, die darauf abzielt, ein Verfahren anzuregen. "Diese Lästerer verleumdeten Crown Sterling, stellten unsere Integrität und unsere Krypto-Produkte in Frage und bezeichneten sie in einer Veröffentlichung als Schlangenöl-Krypto", heißt es weiter. Dem Veranstalter wirft die Firma vor, nicht energisch genug gegen die "Lästerer" vorgegangen zu sein.

Glaubt man einem der betroffenen Besucher der Vortrags, dem Geschäftsführer der durchaus hoch angesehenen Sicherheitsfirma Trail of Bits, Dan Guido, so war der Vortrag seines Kollegen von Crown Sterling in der Tat voller Luftschlösser und Schlangenöl; als "Schlangenöl" bezeichnen Sicherheitsexperten mitunter Technik, die hauptsächlich als Placebo wirkt oder als einziges Ziel hat, dem Kunden möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Guido war es auch, der in einem auf Twitter vielgeteilten Video ruft, der Vortragende möge sich schämen. Für seine Kritik war er von Sicherheitsleuten der Black-Hat-Konferenz des Raumes verwiesen worden.

Was sich über Twitter und andere soziale Netzwerke über den Time-AI-Vortrag rekonstruieren lässt, bestätigt die Einschätzung von Guido und anderen anwesenden Krypto-Experten: Der Vortrag war voller pseudowissenschaftlicher Floskeln und anscheinend ohne nennenswerten Inhalt. Leider sind die Dokumente zu dem Vortrag nicht mehr einzusehen – weder auf der Black-Hat-Webseite noch bei Crown Sterling.

Das Präsentations-Video von Crown Sterling auf der Time-AI-Webseite wirkt wie Techno-Babble der schlimmsten Art aus einem mittelmäßigen Hollywoodstreifen. Fibonacci-Folgen, Primzahlen, DNA, Quanten-Krypto, Biometrik, von KI komponierte Musik, die Weltformel – kein Feld im Bullshit-Bingo wird ausgelassen und kein Auge bleibt trocken. Die Behauptung: Time-AI-Technik lässt jegliche bisher dagewesene Verschlüsselung als überholt dastehen. Das Video scheint wirklich zu behaupten, dass die Verschlüsselungs-Technik mit "einem Schlüssel aus der Vergangenheit und einem aus der Zukunft" funktioniert.

Angesichts der öffentlichen Dokumentation der Time-AI-Technik wird es Beobachter nicht großartig verwundern, dass sich selbst das für Security-Konferenzen eher anzuglastige Black-Hat-Publikum gegen die Präsentation gesperrt hat und es im Nachfassen Belustigung in den sozialen Medien gab. Crown Sterling wird wohl weitaus bessere Argumente für die eigene Technik aufbringen müssen, um ein Gericht davon überzeugen zu können, dass die Kritik der Konferenzbesucher nicht doch berechtigt war. Zumal Kalifornien und New York weitreichende Gesetze gegen Prozesse haben, die dazu dienen sollen, öffentliche Kritiker mundtot zu machen (sogenannte SLAPP-Klagen).

Es ist natürlich denkbar, dass die Klage nur ein Teil einer Strategie ist, den Ruf der Firma zu retten und von Anfang an nicht darauf ausgelegt war, überhaupt ein Verfahren auszulösen. Crown Sterling sieht sich jedenfalls als Opfer: "Uns wurde von Seiten der Black Hat und dem Code of Conduct der Konferenz zugesichert, dass wir dort fair und offen behandelt werden. Das war nicht der Fall", heißt es in einer Mitteilung. (fab)