Keine Macht den KO-Tropfen

Ein Armband soll KO-Tropfen im Drink detektieren, wenn der Wirkstoff GHB enthalten ist. Guter Ansatz, aber einseitige Umsetzung.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Anna Hoffmann

Ein Interview mit der Twinvay-Gründerin Kim Eisenmann hat mich nachdenklich gemacht: Frauen in meinem Alter gehen des Nachts gerne einmal ausgelassen feiern. Drinks fehlen da meist nicht, auch wenn sie gerne auf einem Tisch in der Ecke vergessen werden. Besonders Frauen begeben sich so in Gefahr. Oft reicht schon ein unbeobachteter Moment. Der vorbeigehende Discobesucher fällt in der Menschenmenge gar nicht auf und schon sind die berüchtigten KO-Tropfen im Glas gelandet. Um sich vor der unsichtbaren Gefahr zu schützen, hat das Startup Twinvay das Xantus-Drinkcheck-Armband entwickelt.

Nach Herstellerangaben ist die Nutzung des Papierstreifens, der wie ein Ticketbändchen aussieht, ganz simpel: Getränk umrühren, Flüssigkeit mit den Fingern oder einer Serviette auf eines der beiden runden Testfelder tupfen und warten. Nach rund zwei Minuten, verfärbt sich der ursprünglich grüne Kreis. Dunkelblau heißt: Achtung, KO-Tropfen im Drink! Handelt es sich um Wasser oder Regen (außerhalb des Clubs wohlgemerkt ;-)), färbt sich das Feld dank eines integrierten pH-Tests ebenfalls blau. Eine sinnvolle Maßnahme, falls das Band mit Spritzwasser in Berührung kam. Bei einem negativen Test hellt sich das Ursprungsgrün des Feldes nur leicht auf.

Getestet wird ausschließlich auf Gamma-Hydroxybuttersäure, kurz GHB. Dieser Stoff ist geruchs- und geschmacksneutral. Seine Auswirkungen auf den Körper sind fatal. GHB fühlt sich an, als wäre man stark betrunken. Oft merken die Opfer gar nicht, was ihnen da eingeflößt wurde. So haben die mutmaßlichen Täter bei den handlungsunfähigen Frauen leichtes Spiel. Diese kommen erst viele Stunden später wieder zu sich und erinnern sich meist an nichts mehr.

Twinvays Ansatz ist daher löblich. Wie praktikabel allerdings der Test vor Ort ist, bleibt fraglich. So geht etwa die Deutsche Apotheker Zeitung von einer Knock-out-Dosis von 50 mg pro kg Körpergewicht aus, was bei einem Körpergewicht von 70 kg mit 3,5 g erreicht wäre. Bei einem 0,3 Liter Bier käme man dann auf 1,16 g GHB pro 100 ml, der Xantus-Hersteller gewährleistet den Nachweis aber erst ab 1,5 g GHB in 100 ml. Da wird es dann knapp mit einem eindeutigen Ergebnis.

Eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln hat diese Angaben überprüft. Hier lag die Dosis jeweils bei 2 g GHB. In Bier, Cola und Wodka beispielsweise konnte der Wirkstoff eindeutig nachgewiesen werden. Schade ist aber, dass die Analyse nicht mit anderen KO-Substanzen wie dem Schlafmittel Temazepam oder dem Tiernarkosemittel Ketamin funktioniert.

Besorgte Eltern mag der Xantus-Drinkcheck vielleicht ein wenig beruhigen, aber das KO-Tropfen Problem wird damit nur an sehr kleiner Front bekämpft. Der beste mütterliche Ratschlag ist und bleibt dann wohl: Drinks am besten in der Flasche bestellen und diese immer bei sich tragen.

(jle)