Kommentar: Proteste gegen das Thirty Meter Telescope – ein Pro und Contra

Seit Jahren wird der Baubeginn des Thirty Meter Telescopes von Demonstranten verhindert. Martin Holland hat zwei Meinungen dazu – und die widersprechen sich.

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Kommentar: Proteste gegen das Thirty Meter Telescope – ein Pro und Contra

(Bild: TMT.org)

Lesezeit: 7 Min.
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Eigentlich sollte Mitte Juli nun wirklich mit dem Aufbau des Thirty Meter Telescope (TMT) auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Kea begonnen werden, aber Demonstranten haben das verhindert. Ob das Riesenteleskop noch auf Hawaii errichtet werden kann, ist derzeit zumindest zweifelhaft. Eine Einigung scheint nicht in Sicht und mit der Kanareninsel La Palma steht ein alternativer Standort bereit, worauf die Gegner gerne hinweisen.

Die führen an, dass es sich beim Mauna Kea um einen heiligen Berg der polynesischen Ureinwohner Hawaiis handelt und das Teleskop einen zu großen Eingriff darstellen würde. Unterstützung erhalten sie von Umweltschützern, die diese Einschätzung aus ökologischen Gründen teilen. Bei der Beobachtung und Einordnung dieses Konflikts schlagen zwei Herzen in der Brust von Martin Holland, der sich nicht entscheiden kann, wer hier Recht hat.

Ein Kommentar von Martin Holland

Martin Holland schreibt seit 2012 für heise online und c't. Lange Zeit beschäftigte er sich vor allem mit den NSA-Enthüllungen des Edward Snowden und deren Folgen. Nachdem die längst Geschichte sind, haben sich neben weiteren IT-Themen, vor allem auch zu gesellschaftlichen Folgen von Internet, Social Media, Künstlicher Intelligenz & Co. schließlich Astronomie und Raumfahrt als wichtige Schwerpunkte etabliert.

Das Thirty Meter Telescope soll nach dem Extremely Large Telescope (ELT) das zweitgrößte optische Teleskop der Welt werden und das größte auf der Nordhalbkugel. Das immense Instrument soll nach Dunkler Materie suchen, die Entwicklung von Galaxien ergründen und supermassive Schwarze Löcher in deren Zentren erforschen. Am spannendsten aber dürfte die Analyse von Exoplaneten werden, deren Atmosphäre Wissenschaftler mit dem Instrument direkt analysieren wollen, unter anderem um Hinweise auf biologische Aktivitäten zu finden. Das Thirty Meter Telescope könnte also die Antwort darauf liefern, ob wir im Universum allein sind.

Um diese hochgesteckten Ziele zu verwirklichen, braucht es aber nicht nur internationale Kooperationen – sowohl hinter dem TMT als auch hinter dem ELT stehen jeweils mehrere Nationen –, sondern auch ideale Bedingungen. Und viel besser als auf dem Mauna Kea geht es nicht, erklären die Forscher. Der Standort in mehr als 4000 Metern Höhe liegt über 40 Prozent der Erdatmosphäre, das Klima dort ist besonders stabil, trocken und kalt: Beste Verhältnisse, um mit einem optischen Teleskop besonders scharfe Bilder zu machen. Der alternative Standort bei La Palmas Roque-de-los-Muchachos-Observatorium wäre in rund 2400 Metern Höhe deutlich niedriger und die Bedingungen damit zumindest minimal ungünstiger.

Angesichts dieses unbestreitbaren wissenschaftlichen Nutzens und der Erwartung von Erkenntnissen, die wir überhaupt nicht vorhersehen können, müssen sich die Konfliktparteien einigen. Die Betreiber des geplanten Teleskops haben in den vergangenen Jahren viel zugehört und nach den ersten Blockaden weitere Zugeständnisse an die Bewohner Hawaiis gemacht. So sollen jährlich eine Million US-Dollar an Programme fließen, mit denen hawaiianische Studenten auf Jobs in der Wissenschaft und Technik vorbereitet werden sollen. Eine weitere Million soll jedes Jahr als Pacht an lokale Institutionen fließen. Hunderte Jobs sollen vorwiegend für Hawaiianer entstehen – nicht nur während des Baus, sondern auch während des Betriebs.

Mit diesen teilweise nachträglich eingegangenen Verpflichtungen haben die Betreiber des geplanten Teleskops anerkannt, dass dem Standort und der Bevölkerung anfangs zu wenig Beachtung geschenkt worden war. Die Bewohner Hawaiis und vor allem die Ureinwohner haben persönlich nicht viel von den wissenschaftlichen Entdeckungen, auch davon, dass ihre Sprache jüngst immer öfter Eingang in Himmelskataloge gefunden hat, können sie sich nichts kaufen. Die Protestierenden haben aber ökonomische Verbesserungen erreicht und gleichzeitig mehr Respekt und Anerkennung für ihre Kultur gewonnen. Bei künftigen Projekten können ihre Ansichten nicht mehr so leicht zur Seite geschoben werden.

Nun sollten sie aber den Baufahrzeugen Platz machen und damit nicht zuletzt den Gerichtsurteilen Rechnung tragen. Auf Hawaii vertreten sie auch nur eine Minderheit, denn eine große Mehrheit hatte sich in Umfragen in den vergangenen Jahren hinter das Teleskop gestellt. Wenn die Gegner nun jeglichen Kompromiss ablehnen, wenden sie sich außerdem gegen Grundprinzipien der Demokratie und das Beharren auf der religiösen Bedeutung des Berges wirkt auch nicht zeitgemäß. Und schließlich steht ein Teleskop wie das Thirty Meter Telescope auch noch in der Tradition der seefahrenden Polynesier, die auch anhand der Orientierung an den Sternen einst den Pazifik besiedelt haben. Lasst den Bau also endlich beginnen!