Nature Climate Change veröffentlicht Widerspruch zu Erderwärmung durch Bitcoin

Vor einem Jahr sorgte eine Studie der Uni Hawaii im Magazin Nature Climate Change weltweit für Furore. Jetzt veröffentlichte das Magazin einen Widerspruch deutscher Wissenschaftler. ­

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Nature Climate Change veröffentlicht Widerspruch zu Erderwärmung durch Bitcoin
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Lars Dittmar
  • Prof. Dr. Aaron Praktiknjo

In der Oktober-Ausgabe 2018 des renommierten Magazins Nature Climate Change stand es schwarz auf weiß: Sollte sich Bitcoin als Zahlungsmittel ähnlich wie zuvor Kreditkarten im Alltag durchsetzen, würde allein der Stromverbrauch dieser einen Kryptowährung eine Erderwärmung von zwei Grad Celsius verursachen. Zu diesem medienwirksamen Ergebnis kam ein siebenköpfiges Forscher-Team um Professor Camilo Mora der Uni Hawaii – und wurde eifrig von der Weltpresse zitiert.

Die Studie blieb nicht unangefochten: Nicht nur c’t wies den hawaiianischen Forschern in Ausgabe 26/2018 eklatante Fehler in ihren Annahmen nach, auch wir reichten einen Widerspruch (Replik) bei Nature Climate Change ein, in dem wir die Zahlen der hawaiianischen Forscher widerlegten. Diesen Artikel und die Antwort des Mora-Teams veröffentlichte das Magazin jetzt in seiner September-Ausgabe 2019. c’t bot uns an, die Kernpunkte unserer Arbeit der deutschen Öffentlichkeit vorzustellen.

Schon bei der Überprüfung, ob die Prognosen überhaupt realistisch sind, zeigen sich große Probleme. Der hawaiianischen Studie zufolge soll Bitcoin innerhalb der nächsten 16 Jahre Treibhausgas-Emissionen von durchschnittlich 53 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr verursachen, was zu einem Anstieg der globalen Temperatur um zwei Grad Celsius führen soll. 2017 wurden aber insgesamt nur rund 40 Milliarden Tonnen CO2 weltweit freigesetzt. Die hawaiianischen Forscher gehen also davon aus, dass Bitcoin ein Drittel mehr CO2 produzieren wird als sämtliche bisherigen Verursacher weltweit.

Eine Betrachtung des Stromverbrauchs anstatt der Emissionen zeigt, dass die Studie wenig realistisch ist: Sie prognostiziert mehr als eine Verdreifachung des globalen Stromverbrauchs innerhalb der nächsten fünf Jahre aufgrund von Bitcoin. Der aktuelle World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur sagt jedoch nur einen Anstieg von maximal 60 Prozent bis zum Jahr 2040 voraus. Den vom Mora-Team skizzierten Stromverbrauch würde auch die Energieinfrastruktur nicht verkraften und deren Ausbau benötigt viel Vorlauf – eine Verdreifachung der Erzeugungs- und Durchleitungskapazitäten in nur fünf Jahren ist gänzlich ausgeschlossen.

Die Mora-Studie basiert im Wesentlichen auf einer Schätzung des Energieverbrauchs für 2017 und entwickelt diese analog zur früheren Verbreitung von Kreditkarten für die Folgejahre weiter. Auch wenn die Prognosen der Studie zum künftigen Stromverbrauch aus unserer Sicht völlig unrealistisch sind, wäre es theoretisch denkbar, dass die Schätzungen für den aktuellen Stromverbrauch einen relevanten Beitrag zur Diskussion leisten. Doch schon mit den Schätzungen für 2017 lag das Forscher-Team weit daneben, sie kommt auf einen Jahresverbrauch von 114 Milliarden Kilowattstunden. Das ist sogar fünf Mal mehr als die umstrittenen Schätzungen des Digiconomists, die den Ruf haben, übertrieben zu sein. Ein Blick in die Studiendaten zeigt, dass das Mora-Team überwiegend veraltete Mining-Hardware betrachtet hat und deshalb einen viel höheren Stromverbrauch annimmt. So rechnet die Mora-Studie mit einem bis ins Jahr 2100 gleichbleibenden durchschnittlichen Energieaufwand von 2,15 J/GHash für die Bitcoin-Miner. Doch schon die ersten Ant-Miner aus 2013 des Quasi-Monopolisten Bitmain waren mit nur 2 J/GHash sparsamer, die aktuelle Generation ist mit weniger als 0,1 J/GHash über 20 Mal so effizient.

Eine Kostenrechnung zeigt ebenfalls, dass die Aussagen der Studie unhaltbar sind. So schürften die Miner 2017 Bitcoins im Wert von rund 3,3 Milliarden US-Dollar. Wären die Annahmen der Mora-Studie zutreffend, so hätten die Miner 2017 etwa 114 Milliarden Kilowattstunden verbraucht, was selbst bei chinesischen Strompreisen von nur 4 Cent pro Kilowattstunde einen Verlust von etwa 1 Milliarde Dollar bedeuten würde. Es ist kaum anzunehmen, dass die Miner die Kryptowährung Bitcoin derart subventionieren.

Bitcoin-Miner sind in den letzten fünf Jahren um ein Vielfaches effizienter geworden. Die hawaiianische Studie rechnet jedoch mit einer Effizienz, die Miner vor dem Jahr 2013 aufwiesen.

Außerdem trifft das Mora-Team in seiner Studie Annahmen, die im Widerspruch zum Bitcoin-Protokoll stehen, also heute mit Bitcoin gar nicht umzusetzen wären. So rechnen die Forscher mit bis zu 314 Milliarden Bitcoin-Transaktionen pro Jahr, also etwa 10.000 Transaktionen pro Sekunde. Das ist 500 Mal so viel wie die Bitcoin-Blockchain aktuell bewältigen kann. Derzeit wäre nur abseits der Blockchain, etwa im Lightning Network, eine so hohe Anzahl an Bitcoin-Transaktionen denkbar – das thematisiert die Studie jedoch nicht.

Ein fundamentaler methodischer Fehler der Mora-Studie ist jedoch, den vielfach überschätzten Energieverbrauch der Miner und die Zahl der Transaktionen aus dem Jahr 2017 auf die prognostizierte Anzahl von 314 Milliarden Transaktionen pro Jahr hochzurechnen. Dabei verändert sich der Stromverbrauch der Miner gar nicht proportional zur Anzahl der Transaktionen. In Wirklichkeit steigt der Stromverbrauch proportional zur Rechenleistung des gesamten Bitcoin-Netzwerks, der Hashrate. Eine Zunahme an Transaktionen führt im Gegenteil sogar zu einem proportionalen Rückgang des Stromverbrauchs pro Transaktion, wie die Einführung von SegWit im Bitcoin-Protokoll bewiesen hat. Obwohl sich das Transaktionsvolumen pro Block nahezu verdoppelte, änderte sich am Stromverbrauch des Miner-Netzes nichts.

Unsere Kritik zu diesen Annahmen zur Skalierung des Energieverbrauchs anhand der Anzahl der Transaktionen verdeutlicht, dass das Forscher-Team die Bitcoin-Technologie leider nicht verstanden hat. An der Tatsache, dass der zum Schutz vor Manipulationen verwendete Proof-of-Work-Algorithmus von Bitcoin weder umweltfreundlich noch nachhaltig ist, ändert das nichts.

Mehr Infos

Der Diplom-Wirtschaftsingenieur Lars Dittmar ist wissenschaftlicher Referent und Projektleiter am unabhängigen Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) in Berlin. Prof. Dr. Aaron Praktiknjo ist Leiter der Juniorprofessur für Energieressourcen- und Innovationsökonomik an der Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Ihre Replik zur Studie des Mora-Teams stellten die Autoren erstmals im Rahmen der Blockchain-Night am Weizenbaum-Institut im Oktober 2018 der Öffentlichkeit vor.

Dieser Artikel stammt aus c't 20/2019. (mid)