60 Jahre COBOL: Die Sprache, die nicht totzukriegen ist

Auch heute noch befindet sich Code der vor sechzig Jahren initiierten Common Business Oriented Language in etlichen betriebswirtschaftlichen Anwendungen.

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60 Jahre COBOL: Die Sprache, die nicht totzukriegen ist
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Von
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

Für die Geburtsstunde einer Programmiersprache gibt es nicht selten unterschiedliche Interpretationen. Dieser Tage feiern etliche Medien und Unternehmen den 60. Geburtstag der Programmiersprache COBOL. Sie machen das Jubiläum an der Namensgebung fest, die tatsächlich ihren Ursprung im September 1959 hat, und an der Tatsache, dass damals grundlegende Züge der Syntax festgezurrt worden waren.

Vor zehn Jahren feierte ein Artikel auf heise Developer das goldene Jubiläum allerdings bereits früher im Jahr. Denn am 28. und 29. Mai 1959 fand ein Treffen im Pentagon zu Washington D.C. statt – das Short Range Committee of the Conference on Data Systems Languages (CODASYL) –, das ebenso wie die Namensgebung als Start der Common Business Oriented Language angesehen werden kann. Und schon im April 1959 hatte Mary K. Hawes mehrere Informatiker zu diesem Treffen eingeladen – mit dem Ziel, eine neue Computersprache zu entwickeln, die betriebswirtschaftliche Aufgaben angehen sollte.

Cover des "COBOL 60 Report"

(Bild: Wikipedia )

Ein Jahr später legte das Komitee mit COBOL-60 eine erste offizielle Beschreibung der Sprache vor, die in der Folgezeit von nationalen und internationalen Standardgremien weiterentwickelt wurde und schnell zu kommerziellen Anwendungen führte. Schon 1970 war COBOL die verbreitetste Programmiersprache, auch weil Unternehmen wie IBM vorrangig COBOL-Code nutzten. Die derzeit aktuelle Standardversion ist COBOL 2014 (genauer COBOL ISO/IEC 1989:2014).

Die Sprache hatte ihren Ursprung darin, dass ihre Entwickler – darunter auch die heute noch bekannte Grace Hopper – eine hardwareunabhängige Sprache für die Entwicklung von Anwendungen für die Betriebswirtschaft realisieren wollten. Die meisten Systeme wurden damals direkt in Assembler programmiert, die ebenfalls noch junge Programmiersprache Fortran hatte mit numerischen und Formelberechnungen andere Aufgaben. Zentral für die Schöpfer von COBOL war das Bewältigen großer Datenmengen beziehungsweise die Entwicklung kaufmännischer Software gegenüber der Anforderung technisch-wissenschaftlicher Programmierung. Anfangs war COBOL rein imperativ, später wurde die Sprache um Eigenschaften strukturierter, prozeduraler und objektorientierter Programmierung erweitert, ohne jedoch mit den Features heutiger moderner Programmiersprachen mithalten oder zeitgemäße Entwicklungsprinzipien unterstützen zu können.

Dass COBOL auch heute noch Verbreitung findet, ist sicherlich darin begründet, dass es für Unternehmen teuer und schwer sein kann, die historisch gewachsenen Systeme zu ersetzen. In den vergangenen Jahren haben deswegen Unternehmen wie IBM, Micro Focus oder Compuware den Schwerpunkten bei ihren COBOL-Produkten darauf gesetzt, Migrationsszenarien aufzuzeigen oder diese beim Design, also modernen grafischen Oberflächen, und über Integration an zeitgemäße Bedürfnisse anzupassen.

Außerdem müssen immer wieder erfahrene COBOL-Entwickler aus dem Ruhestand geholt werden, da die Programmiersprache an den meisten universitären Einrichtungen keine Rolle mehr spielt und demnach neue COBOL-Entwickler nicht nachrücken. Es gibt aber wiederholt Initiativen, junge Entwickler für die COBOL-Entwicklung zu gewinnen, um den "aussterbenden" Skills entgegenzuwirken. Gute Gehälter sind diesen angesichts der Bedeutung vieler der noch laufenden COBOL-Programme garantiert. Vor zwei Jahren machte die Nachrichtenagentur Reuters deutlich, dass 43 Prozent der Systeme im Bankwesen immer noch auf COBOL basierte, bei Geldautomaten kam man sogar auf 95 Prozent. Außerdem spielt die Sprache in Anwendungen von Behörden eine Rolle, die in den 70er-Jahren IBM-Systeme eingekauft hatten.

Nun nähert sich COBOL also dem Rentenalter, doch angesichts jüngerer Entwicklungen, dass COBOL-Anwendungen sogar in die Cloud gehievt werden, hat es den Anschein, dass wir wohl auch noch in zehn oder zwanzig Jahren die Beobachtungen dieses Beitrags und desjenigen vor zehn Jahren wieder aufgreifen werden. Ein nahes Ableben der Programmiersprache ist in keinem Fall zu erwarten. (ane)