Ars Electronica 2019: Wie künstlich ist die Musik

Musik ist Teil der Ars Electronica, auch 2019 spielt sie eine große Rolle auf der Jubiläums-Ausgabe des Festivals in Linz.

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Ars Electronica 2019: Wie künstlich ist die Musik

"Dear Glenn" – Exponat auf der Ars Electronica 2019.

(Bild: Dorothea Cremer-Schacht)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Johannes Schacht

Der Komponist und Pionier elektronischer Musik Hubert Bognermayr und der Musikproduzent Ulrich Rützel waren zwei der insgesamt vier Gründerfiguren der Ars Electronica vor 40 Jahren. Bis heute ist die Musik die vielleicht lebendigste Kunstrichtung, die das Festival prägt. Musiker haben sich schon sehr früh für neue Klangerzeuger interessiert und orchestrale Beschränkungen zu sprengen gesucht. Mit dem Computer gab es nun auch Möglichkeiten, Technik in die Komposition zu bringen.

Das erste Musikfestival namens „Klangwolke“ war 1979 wie ein Paukenschlag. Bruckners 8. Sinfonie, von der Bruckner selbst sagte, sie sei ein Mysterium, wurde nicht einfach aufgeführt. Jeder Linzer war aufgefordert, mitzumachen und das Klangresultat, das der ORF an die Radioempfänger sandte zu verbreiten, indem er das Empfangsgerät ins Fenster stellte und damit Teil eines stadtumspannenden Open-Air-Konzerts wurde. Der passive Empfänger als Sender. Obwohl das Ereignis von 100.000 Besuchern regelrecht gestürmt wurde, verrissen es viele Musikliebhaber. Heute gilt die Klangwolke als kulturelles Highlight, das alljährlich Besucherströme in die der Stadt zieht. Mittlerweile ist sie unabhängig vom Ars-Festival.

Mit AIxMusic als Festival im Festival wurde die Verbindung von künstlicher Intelligenz und Musik, beziehungsweise Klangkunst, zum Thema gemacht. In den Vorträgen zeigte sich, dass die Perspektiven auch angstbesetzt sind. Die Frage der Kreativität stand im Raum. Wo bleibt der Künstler, wenn die KI Stücke komponiert? Oder was bedeutet das für das Copyright?

Der Samstagnachtmittag des Ars-Electronica-2019-Wochenendes war in Gänze der Musik gewidmet und die Veranstalter hatten die Teilnehmer nach St. Florian geladen, etwa 20 Kilometer entfernt vom eigentlichen Gelände. Daniele Ghisi hat eine klassische Instrumenten- und Kompositionsausbildung genossen und gleichzeitig einen Abschluss als Mathematiker. Im Gegensatz zu anderen KI-basierten Kompositionsansätzen, die auf der Basis von Noten neuronale Netze trainieren, belehrt er einzelne Abtastungen digitalisierter Musik, also tausende Samples je Sekunde. Für seine düstere und geheimnisvolle Installation in der passend gewählten Krypta des Stifts hatte er acht Stunden Schubertmusik trainiert. Auf die Frage, ob es nicht einfacher sei, die passenden Sounds für die Installation ohne den Umweg über die künstliche Intelligenz zu erzeugen, erwidert er, dass das für ihn völlig uninteressant sei, Ziel sei die künstlerische Exploration.

Das Abschlusskonzert in der Basilika des Klosters zeigt ein Dilemma beim Einsatz der KI für Live-Musik auf. Das "Dear Glenn – Yamaha AI Project" hat ein neuronales Netz trainiert, das Klavierstücke im Stil von Glenn Gould spielt. Das Begleitvideo zeigt, wie Personen, die Gould nahestanden zu Tränen gerührt sind. Der Tote scheint auferstanden. Das Live-Konzert lässt die Gould-AI zunächst gemeinsam mit anderen Musikern spielen, am Ende dann aber allein. Was wir sehen, ist ein Piano auf der Bühne dessen Tasten sich automatisch bewegen, Töne, die aus Lautsprechern in die Kirche schallen und einen Künstler, der an der Seite mit verschränkten Armen vor seinem Laptop sitzt. Man hätte genauso gut eine CD abspielen können.

Ganz anders dann in der großen Konzertnacht in der Gleishalle des verlassenen Postverteilzentrums am Hauptbahnhof, dass in diesem Jahr zu letzten Mal Austragungsort des Events ist. Hier spielt das Brucknerorchester die Unvollendete seines Namensgebers, die von einer KI vollendet wurde. Ali Nikrang vom Ars Electronica Futurelab hatte MuseNet mit dem Bratschenthema trainiert und daraus zehn Klavierkompositionen generieren lassen. Alle seien brauchbar gewesen, fand Nikrang. Er entschied sich für eine und entwickelte daraus die Fassung für das ganze Orchester, die von Dirigent Markus Poschner zur Aufführung gebracht wurde. (emw)