Post aus Japan: Ein Lufttaxi soll flügge werden

Nippons Technikkonzern NEC hat einen Minihubschrauber geschaffen, der sich für Kurzstrecken anbietet.

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Post aus Japan: Ein Lufttaxi soll flügge werden

(Bild: NEC)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Die aeromobile Zukunft war eingesperrt und angeleint. In einem großen, mit Netzen bespannten Stahlkäfig ließ der Technologieriese NEC im August erstmals eine Version seines Flugautos öffentlich starten. Mit vier Rotoren erhob sich der 138 Kilogramm schwere Minihubschrauber in die Lüfte und schwebte über einer grünen Kunstrasenfläche. Am Heck hängt noch ein Stromkabel, dass die Motoren mit Strom versorgt.

NECs will bis 2023 ein logistisches System für den Lufttransport fertigstellen. Der Zeitpunkt ist nicht ganz zufällig gewählt. Um diesen Zeitraum herum visiert der von der Regierung mitinitiierte Rat für die Mobilitätsrevolution in der Luft die ersten Personentransporte an. Denn die Inselnation will nicht den Abflug verpassen. Ab der Mitte der kommenden Dekade sollen sie zuerst in den ländlichen Regionen perfektioniert werden, bevor sie um 2030 über dichtbesiedelten Städten dienen dürfen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Tatsächlich befürchten die Japaner, dass ihnen die Zeit davonläuft. Der kalifornische Mitfahrdienst Uber nutzt sein Kapital auch, um Flugtaxis zu entwickeln. Im Juni kündigte das Unternehmen an, 2020 mit den Test seines Uber Air getauften Dienstes zu beginnen. 2023 soll dann der kommerzielle Verkehr in den amerikanischen Städten Los Angeles und Dallas sowie dem australischen Melbourne folgen.

Chinesische Startups hegen ebenfalls hochfliegende Pläne. Und die Rivalen werden bei ihren aeronautischen Abenteuern nicht unbedingt von der Vorsicht und dem Perfektionismus der Japaner beseelt. Diese Einstellung ist sicher bei der Entwicklung von Fluggeräten lobenswert, besonders wenn sie Menschen transportieren oder auf den Kopf fallen können. Aber in Japan bremst die Angst, überhaupt einen Fehler zu machen, das Entwicklungstempo bei neuen Technologien manchmal ab.

Außerdem verstehen sich die Amerikaner besser darauf, ihre Träume zu verkaufen. Mit einem hübschen Modell der Fahrgastzelle lädt das Unternehmen schon heute zum Probesitzen ein. NECs Modell kann zwar fliegen. NECs Entwurf kann zwar fliegen, aber mit seiner Hülle und den drei Fahrradähnlichen Rädchen sieht er aus wie eine Seifenkiste im Eigenbau.

Auch bei der Technik gehen beide unterschiedliche Wege: NEC hat eine herkömmliche Drohne mit vier quasi im Quadrat angeordneten Rotoren aufgepumpt. Uber schwebt hingegen eine Art senkrecht start- und landefähiges Leichtflugzeug vor, das die Ingenieure EVTOL nennen. Die Abkürzung steht für Electric Vertical Take-Off and Landing Vehicle.

Schon beim Fluglärm könnte es Unterschiede geben: NECs Drohne ist recht laut. Uber verspricht wenigstens, leise zu fliegen. Dafür nimmt die kompaktere, 3,90 Meter lange und 3,7 Meter breite japanische Idee nur 15 Quadratmeter Landefläche ein. Außerdem planen die Amerikaner offenbar, längere Strecken als die Japaner zu fliegen. Aber ob die Versprechen realisierbar sind, wird man wohl noch abwarten müssen. In Nippons gestehen die Ingenieure ein, dass das Abwägen von Gewicht und Reichweite ein Problem bleibt. Denn alle wollen elektrisch fliegen. Und die Akkus dürften auch in Zukunft sehr schwer bleiben.

Mein größtes Problem ist allerdings das Konzept an sich. Ich befürchte, dass Drohnentaxis nur ein energieintensiver Weg sind, noch mehr Mobilität zu bieten und Verkehr zu schaffen. Ich würde Ideen bevorzugen, wie wir mit neuen Wohn-, Arbeits- und Transportmodellen den Verkehr mindern und vielleicht die Lebensqualität sogar erhöhen können.

Doch derzeit gehen Fahrt und Flug eher in die andere Richtung: Die Hersteller erdgebundener und fliegender Autos versprechen uns, mit elektrischer Mobilität noch spaßiger rasen und noch mehr reisen zu können. Ich wage nicht, an einen Kurswechsel zu denken.

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