Ist der Tod wirklich das Ende?

”Boy in a Dead End“ stellt ethische Fragen des Transhumanismus und erzählt dabei die Geschichte eines todkranken Jungen – auch für Erwachsene mit Unterhaltungswert.

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Von
  • Anna Hoffmann
  • Anna Hoffmann

In einer berührenden und spannenden Mischung aus Schicksals- und Hightech-Story schildert der deutsche Autor Karl Olsberg die Geschichte des 15-Jährigen Manuel. Er ist durch die Nervenkrankheit ALS an seinen intelligenten Rollstuhl Marvin gefesselt, der mit seinem scharfsinnigen Humor zum heimlichen Star der Geschichte aufblüht. Bei der Namensgebung hat der Autor sich möglicherweise von Marvin aus "Per Anhalter durch die Galaxis" inspirieren lassen. Aber auch Rollstuhl-Marvin kann nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen. Denn Manuels Zeit läuft ab und er hat schätzungsweise nur noch ein halbes Jahr zu leben. Gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester Julia besteht er den Alltag mehr schlecht als recht. Er flüchtet sich lieber in die virtuelle Realität seines Lieblingsspiels ”Team Defence“. In jener brutalen Welt ist er nicht der todkranke Junge, sondern einer der besten Player. Anders als in der Realität kann Manuel seinen Avatar dort mit einer Gesichtserkennungssoftware bewegen. Als die Familie ihre Hoffnungen längst begraben hat, werden sie auf eine neue Technologie aufmerksam: Mit ihr soll es möglich sein, das Gehirn eines Lebewesens zu scannen und in ein Computerprogramm zu verwandeln. Der Hersteller Notify zeigt, dass es bereits mit der Katze Hades funktioniert hat. Die Schlussfolgerung: Man kann es ja mal mit einem Menschen probieren.

Olsberg präsentiert mit seinem Jugend-Thriller rund um das Thema "ewiges Leben in einer virtuellen Welt" eigentlich einen alten Plot. Nerds könnten sich an den bekannten Anime "Sword Art Online" erinnern. Dort ist es aber umgekehrt: Die Protagonisten sind in einer virtuellen Fantasy-Welt gefangen und wollen aus ihr entkommen. In jüngster Zeit hat auch der Spielfilm "Transendence" mit Johnny Depp die Thematik aufgegriffen.

Mit ”Boy in a Dead End“ liefert Olsberg eine Fortsetzung und Hintergrundstory zu seinen vorherigen Werken ”Boy in a White Room“ und ”Girl in a Strange Land“. Zum Verständnis ist es aber nicht zwangsläufig notwendig, die älteren Titel zu kennen. Der Roman ist zwar als Jugendbuch deklariert, aufgrund seiner Tiefe und Vielschichtigkeit eignet er sich aber durchaus auch für Erwachsene jenseits der Pubertät. Die Ansätze von autonomen Autos oder Holobrillen sind zwar in unserer Zeit angelangt und wirken auf den ersten Blick wenig spannend. Doch Olsberg denkt diese technischen Entwicklungen weiter und integriert sie fest in den Alltag der Menschen. Es entsteht nicht der Eindruck einer fiktiven und unwirklichen Welt, stattdessen fühlt man sich als Leser in Manuels Realität verankert. Olsberg gelingt es außerdem mit Manuel einen Protagonisten zu schaffen, der dem Leser mit seinem Mut und seinem Widerwillen, den Tod zu akzeptieren, imponiert.

Spannende Konflikte innerhalb der Gesellschaft bilden eine weitere starke Säule des Romans. Religiöse Fanatiker etwa sehen in dem geplanten Experiment von Notify einen Frevel an der Schöpfung. Für sogenannte Transhumanisten wäre die Manuel-KI dagegen die nächste Evolution des Menschen. Zwischen all diesen Meinungen und Gruppierungen steht ein pubertärer Junge, der kein unbedeutendes Leben führen will und insgeheim doch Angst vor dem Sterben hat. Und ihm gegenüber steht das undurchsichtige Unternehmen Notify, dessen wahres Firmenziel an dieser Stelle im Dunklen bleiben soll.

Karl Olsberg, Boy in a Dead End”, Loewe, 320 Seiten, 14,95 Euro (E-Book: 11,99 Euro)

(anho)