Abschied vom Downcycling

Tamsin Ettefaghs Unternehmen Envision Plastics gilt weltweit als Pionier des hochwertigen Plastikrecyclings. Das Polyethylen aus ihren Fabriken ist so sauber, dass man damit sogar Lebensmittel verpacken darf.

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Abschied vom Downcycling

(Bild: Envision Plastics)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Susanne Donner

Im Recyclingbusiness reicht es oft nur zur Parkbank. Die Fabriken schmelzen Kunststoffe, halbwegs nach Sorten getrennt, wieder zu neuem Plastik. Aber die Masse ist so unrein, dass es bedenklich wäre, darin etwa Getränke abzufüllen.

Tamsin Ettefagh wollte sich damit nicht zufriedengeben. Mit ihrer Firma Envision Plastics aus den USA hat sie sich zum Ziel gesetzt, Lebensmittelverpackungen so aufzubereiten, dass daraus wieder lebensmitteltaugliche Verpackungen entstehen. Aus Downcycling soll Edelrecycling werden. Keine leichte Aufgabe: Für Plastik mit Kontakt zu Lebensmitteln gelten in den USA und in der EU weitaus strengere Vorgaben als für andere Anwendungen.

Doch Envision Plastics gelang, was zuvor noch kein Recycler geschafft hatte. In zwei seiner Fabriken, in North Carolina und im kalifornischen Chino, verwertet das Unternehmen Polyethylen (PE), den wichtigsten Verpackungskunststoff für Lebensmittel. Das recycelte Produkt ist so sauber, dass die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA 2017 dessen Wiederverwendung in Lebensmittelverpackungen genehmigt hat.

"Gerade haben wir einen Vertrag mit einem Betrieb in Europa geschlossen. Wir kommen zu euch. Das ist aufregend", sagt Ettefagh. Michael Braungart, Leiter des Hamburger Umweltinstituts EPEA, in den Medien seiner kritischen Äußerungen gegenüber der Chemieindustrie wegen gern als Ökochemiker bezeichnet, lobt Envision: "Ich habe mir die Fabriken angeschaut. Das ist der Weg."

Ihn zu begehen ist jedoch aufwendig. Lebensmittelechtes Plastik erzeugt Envision nur aus Lebensmittelverpackungen. Die Fabrik bekommt den Abfall vorsortiert, jedoch nur in einer Sortenreinheit von 90 bis 95 Prozent. "Mehr schafft modernste Technik bisher nicht", betont Ettefagh, die seit 31 Jahren im Recyclingbusiness arbeitet. Die Kunststoffe in den Ballen sind mitunter auch nicht nach lebensmittelechten und lebensmittelunechten Kunststoffen getrennt. Sie enthalten also einerseits PET-Flaschen oder gar Spielzeug, andererseits PE-Produkte wie Flaschen für Duschgel oder WC-Reiniger, die aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht als Lebensmittelverpackung erlaubt sind. Die Auslese dieser Problemabfälle übernehmen Angestellte in Handarbeit am Fließband, unterstützt von Kameras.

Nach dem Sortieren zerschlagen Schredder die Flaschen in grobe Flakes. In einem Wassertank werden Störstoffe wie Polystyrol oder PVC automatisch abgetrennt und an herkömmliche Recycler verkauft. In gigantischen Spülmaschinen lösen sich Etiketten und Klebstoff von den Flakes, die Label werden abgesaugt, wohingegen die schweren Flakes in einen Container fallen. Optische Sensoren erkennen Verschlusskappen und andere Verunreinigungen, die dann ausgeschleust werden. Um wirklich kleinste Fremdkörper zu eliminieren, wird die geschmolzene Kunststoffpaste durch einen Zylinder gepresst. Dort detektiert ein Laser Holzspänchen und Metallteilchen bis zu 100 Mikrometer Größe, eine Art Rasiermesser schneidet den Fremdkörper heraus.

Als letzter Prüfstein dient der Duftstoff Limonen. Er ist vom WC-Reiniger bis zum Duschgel in vielen Drogerieprodukten enthalten – hat aber in Lebensmittelverpackungen nichts zu suchen. Finden die Mitarbeiter ihn in größeren Mengen, ist klar: Das Edelrecycling hat nicht funktioniert. Alle vier Stunden überprüfen sie deshalb das Endprodukt nach dem verräterischen Stoff. Bislang haben sie noch nie bedenkliche Mengen entdeckt.

Angesichts dieses Aufwands ist es kein Wunder, dass Envisions Edelrezyklate teurer sind als neu gewonnenes PE aus Erdöl. Gut im Geschäft ist die Firma trotzdem: 70000 Tonnen wiederaufbereitetes Polyethylen liefern die beiden US-Fabriken jedes Jahr und sind damit der zweitgrößte Recycler in den USA. "Das ist wie mit einem Teenager. Man liebt ihn, und er nervt einen", sagt Ettefagh. "Unsere Kunden lieben das Material und sind genervt, dass es etwas teurer ist. Aber wenn es erwachsen ist, werden sie froh sein, dass sie daran geglaubt haben."

(bsc)