Der englische Patient

Großbritanniens Autoindustrie stirbt

Großbritannien hatte es bis jetzt vor allem Toyota, Nissan und Honda sowie Ford, Opel (dort Vauxhall) und BMW (Mini) zu verdanken, dass dort noch Autos in nennenswerten Stückzahlen gebaut wurden. Nun sind auch die letzten großen Werke auf dem Rückzug

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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Großbritannien steht mit dem beschlossenen Brexit 2020 vor gravierenden Veränderungen. Das wird fraglos auch weitreichenden Auswirkungen auf die traditionsreiche, britische Automobilindustrie haben. Wir widmen uns dieser in mehreren Teilen.

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Britische Autogeschichte: Zwischen den Kriegen

Die britischen Autogeschichte: Von 1945 bis heute

Der Brexit dürfte zum endgültigen Totengräber der britischen Autoindustrie werden. Abgesehen von Kleinserienherstellern wie Morgan oder McLaren gibt es schon lange keine Marken mehr in einheimischem Besitz. Das Vereinigte Königreich hatte es bis jetzt vor allem den japanischen Giganten Toyota, Nissan und Honda sowie Ford, Opel (dort Vauxhall) und BMW (Mini) zu verdanken, dass dort überhaupt noch Autos in nennenswerten Stückzahlen gebaut wurden.

80 % der Produktion wird exportiert, 60 % davon in die EU

Nun sind auch die letzten großen Werke auf dem Rückzug, die Hersteller sehen keine Zukunftsperspektive in einem Vereinigten Königreich, das nicht mehr zur EU gehört. Es wird auf die gesamte britische Wirtschaft verheerende Auswirkungen haben, denn 80 Prozent der auf der Insel gefertigten Autos gehen in den Export, allein 60 Prozent davon in die EU. Umgekehrt werden sehr viele Autokomponenten in der EU gefertigt und nach Großbritannien eingeführt, manche überqueren den Ärmelkanal sogar mehrfach bis sie endgültig verbaut werden.

Nach einem No-Deal-Brexit würde Großbritannien zunächst unter die WTO-Zolltarife fallen und das bedeutet zehn Prozent auf jedes einzelne Teil beim Import und noch einmal zehn Prozent beim Export des fertigen Autos – was die Sache für die Hersteller unrentabel macht. Eine Produktion nur für den britischen Markt lohnt sich für die Autohersteller nicht, dafür ist das Vereinigte Königreich einfach zu klein.

Vom Zweitbesten zum Hinterbänkler

Großbritannien war noch in den 1950er Jahren die zweitgrößte Autonation der Welt, nur in den USA wurden damals mehr Autos gebaut. Es gab eine fast unüberschaubare Vielfalt an kleinen und großen Herstellern, Marken wie Rolls Royce, Jaguar, Aston Martin und Bentley galten als führend in der Luxusklasse. Doch bereits in den 1960er Jahren begann die Autoindustrie auf der Insel zu kriseln.

Es gab krasses Missmanagement, Fehlentscheidungen in der Modellstrategie, unheilvolle Fusionen, erhebliche qualitative Mängel und dazu noch eine erschreckende Arroganz gegenüber den Kunden. Viele britische Hersteller glaubten damals, der bekannte Markenname würde ausreichen, damit die Leute auch weiterhin ihre Autos kaufen würden. Dann schloss ein Werk nach dem anderen, viele Marken gingen Pleite, andere überlebten nur, weil sie von ausländischen Firmen gekauft und saniert wurden. Mittlerweile ist das Vereinigte Königreich unter den Autohersteller-Nationen auf Platz 15 abgesackt und wird nach dem Brexit wohl noch weiter sinken.