Die Elegantisierung des Erwerbens

Alles lauert auf ein fundamental neues Stück Hardware von Apple. Das Unternehmen aber revolutioniert etwas anderes: das Konsumieren.

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Von
  • Peter Glaser

Schon gehört? Apple will angeblich noch in diesem Jahr ein neues Gerücht rausbringen. Bis dahin können wir uns die Zeit mit kleinen Tatsächlichkeiten vertreiben, wie sie gerade erst wieder in Cupertino präsentiert wurden, das iPhone 11 allen voran.

Die neuen Ausstattungsvarianten des Smartphone-Flaggschiffs senden eine Botschaft: Während Träumer nach wie vor von Apple erwarten, mit einem grundlegend neuen Stück Hardware wie dem iPhone selbst überrascht zu werden, besteht die reale Unternehmensstrategie darin, unterschiedliche Teile von Hardware und Software zu verbessern, feiner zu verzahnen, zu elegantisieren. Punktuell innovativ zu sein, nicht fundamental. So etwas wie den Krug oder das Brot kann man nur alle 10.000 Jahre erfinden, nicht ständig.

Mit dem iPhone 11 spricht Apple nun vor allem Visual Designer an, Fotografen, Filmer, alle, die auf hochwertiges Aufnahmeequipment und Werkzeuge zur Videobearbeitung angewiesen sind. Die Pro-Version bietet ein neuartiges, aus drei Objektiven zusammengesetztes Kamerasystem, das ein Licht auch auf die Lage der Smartphone-Branche insgesamt wirft. Einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens IHS Markit zufolge gehen die weltweiten Smartphone-Verkäufe seit nunmehr sieben Quartalen in Folge zurück. Einen maßgeblichen Grund dafür sehen Fachleute darin, dass die Nutzer ihre Smartphones nicht mehr so oft auf den neuesten Stand bringen.

Ich hatte einen Traum. Apple würde nach dem Musikhören und dem Telefonieren nun das Konsumieren revolutionieren. Wenn die Menschen nicht eingehend und schnell genug am Wirtschaftsleben teilzunehmen vermögen, muss man ihnen dabei eben mit der bestmöglichen Technologie helfen. Bereits in der Nachkriegszeit hatte eine Evolution individueller Lebensstile eingesetzt, die zugleich die Konsumfähigkeit der Gesellschaft erweiterte. Einem Schwarm Singles, jeder in seiner eigenen Wohnung, kann man mehr Unterhaltungselektronik und Haushaltsausstattung verkaufen als einer Mehrgenerationenfamilie unter einem Dach.

Wer glaubt, mit dem Phänotyp des Singles sei die unteilbare Urform des Konsumenten, das Verbraucher-Atom, gefunden, der täuscht sich aber. Bei den Oscars 2012 etwa gelang Angelina Jolies rechtem Bein der große Durchbruch. Statt über Filme redete Hollywood nur noch über das schier endlose Bein, das reizvoll aus Jolies schwarzer Versace-Robe gelugt hatte. Bereits kurz nach der Preisverleihung hatte ein rasch eingerichteter Twitter-Account des Beins an die 30.000 Follower.

In meinem Traum machte man in den ultrageheimen Apple Labs einen radikalen Schritt. Dem Verbraucher sollte das Verbrauchen komplett abgenommen werden, von smarten Maschinen. Die totale Convenience. Vorbild dafür waren Werkstoffprüfungsgeräte wie bei Ikea, denen man dabei zusehen kann, wie sie abertausende Male eine Besteckschublade öffnen und schließen, oder Apparate, die unter Glas hunderte Zigaretten qualmten, und das auch noch, ohne jemandes Gesundheit zu schaden. Das berührungslose Bezahlen – ein weiterer bedeutender Schritt, um störenden Widerstand beim Warenerwerb zu beseitigen – fördert Apple mit seiner smarten Armbanduhr bereits in der Praxis. Richtig prosperieren kann die Wirtschaft ja erst, wenn der Abfluss von Barmitteln aus punktuellen Vorgängen überführt wird in ein permanentes Geschehen. In einen Stream des Geldausgebens.

Mir träumte, dass sie bei Apple auch über den Kaufen-Knopf hinwegkommen wollten und einen Paradigmenwechsel anstrebten. Man muss die Sache andersrum angehen: Wenn nicht einmal pro Stunde der Nein-Danke-Knopf gedrückt wird, wird geliefert – was auch immer. Auch Gentechniker waren in den Labors bereits am Experimentieren. Ein Team arbeitet angeblich an einer Automate, die in der Lage ist, sich selbst aufzuessen.

(bsc)