Nobelpreis für Medizin für Therapie-Ansatz gegen Tumore vergeben

Zwei US-Amerikaner und ein Brite teilen sich die Ehrung für die Entdeckung, wie sich Zellen mit Sauerstoff versorgen – und wie sich der Mechanismus bei krankhaften Zellen unterbinden lässt.

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Nobelpreis für Medizin:

William Kaelin, Sir Peter J. Ratcliffe und Gregg L. Semenza (v.l.n.r.) sind die Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Medizin.

(Bild: Illustration: Niklas Elmehed, Copyright: Nobel Media AB 2019)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Robert Thielicke
Inhaltsverzeichnis

Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie geht dieses Jahr an drei Forscher, die einen für das Leben auf der Erde grundsätzlichen Mechanismus aufgedeckt haben: Wie Zellen ihre Sauerstoffzufuhr regulieren. Der Mechanismus ist zentral für die Energiegewinnung. Gleichzeitig zeigte er neue Wege auf, um Tumorzellen von der Energiezufuhr abzuschneiden – und damit Krebs zu behandeln.

Das Preisgeld von aktuell etwas über 830.000 Euro teilen sich William Kaelin, Internist und Onkologe an der Harvard Medical School; Sir Peter Ratcliffe Jr., Direktor für klinische Forschung am Francis Crick Institute in Großbritannien sowie Gregg Semenza, Direktor des Gefäßforschungsprogramms am Institute for Cell Engineering der Johns Hopkins Universität.

(Bild: Screenshot der Live-Übertragung von nobelprize.org )

Körperzellen des Menschen haben verschiedene Wege, mit einem Sauerstoffmangel umzugehen. Die akute Variante ist, den Stoffwechsel dort abzubrechen, wie Sauerstoff für die weitere Verarbeitung nötig wäre. Statt Kohlendioxid, das normalerweise ausgeatmet wird, entsteht Milchsäure. Jeder kennt die Folgen, wenn nach starker körperlicher Anstrengung die Beine schwer werden.

Ein weiterer Weg ist längerfristig angelegt: Der Körper versucht, mehr Sauerstoff in die Zellen zu transportieren. Die drei Nobelpreisträger haben erforscht, mit welchen Mitteln er dieses Ziel erreicht. Sie konzentrierten sich dabei auf ein Hormon namens EPO (Erythopoietin), das die Bildung roter Blutkörperchen anregt – und damit den Sauerstoffgehalt im Blut steigern kann. Grundsätzlich ist dieser Regelkreis seit Beginn des 20. Jahrhundert bekannt. Aber wie genau er angestoßen wird, blieb lange ein Geheimnis.

Der erste Schritt zu seiner Enthüllung gelang Gregg Semanza. Er entdeckte, dass ein Erbgut-Abschnitt nahe dem EPO-Gen den Regelkreis anstieß – und zwar abhängig von der Sauerstoffkonzentration in der Zelle. Zusammen mit Peter Ratcliffe erkannte er zudem, dass nahezu alle Gewebe diese Fähigkeit besitzen, nicht nur die Niere, die das EPO-Hormon produziert. Semanza gelang es sogar, die Substanz ausfindig zu machen, die diesen Erbgut-Abschnitt aktivierte. Es war ein Eiweiß, und er nannte es Hypoxia-inducible Faktor (HIF). Umso mehr Sauerstoff in den Zellen zur Verfügung stand, desto geringer war seine Menge.

Ist der Sauerstoffgehalt in der Zelle niedrig (Hypoxie), ist der Proteinkomplex HIF-1α vor dem Abbau geschützt und sammelt sich im Zellkern, wo es sich an bestimmte DNA-Sequenzen in hypoxieregulierten Genen bindet (1). Bei normalem Sauerstoffgehalt wird HIF-1α durch das Proteasom (2) schnell abgebaut. Sauerstoff reguliert den Abbauprozess durch Zugabe von Hydroxylgruppen (OH) zu HIF-1α (3). Das VHL-Protein kann dann HIF-1α erkennen und mit ihm einen Komplex bilden, der zu dessen sauerstoffabhängigem Abbau führt (4).

(Bild: The Nobel Committee for Physiology or Medicine: Illustration: Matthias Karlén)

Aber welcher Mechanismus legte fest, wie viel HIF nötig war? Hier kommt Will Kaelin ins Spiel. Er untersuchte Menschen, die unter der Hippel-Lindau-Krankheit (VHL-Krankheit) litten. Eine Genveränderung machte sie sehr anfällig für Krebs. Kaelin nun entdeckte, dass es einen Zusammenhang gab zwischen der Fähigkeit von Zellen, sich mit Sauerstoff zu versorgen und ihrer Fähigkeit, zu Tumoren heranzuwachsen. Das VHL-Gen war der Schlüssel. War es defekt, konnte der Körper die Entartung von Zellen nur schwer verhindern.

Umgekehrt war damit auch ein Mechanismus entdeckt, wie sich Krebszellen bekämpfen lassen. Denn Tumore schaffen es, die Sauerstoff-Regulation im Körper in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie räumen auf diese Weise ein Hindernis für ihr rapides Wachstum aus dem Weg: den Mangel an Energie. "In Tumoren wird die sauerstoffregulierte Maschine verwendet, um die Bildung von Blutgefäßen zu stimulieren und den Stoffwechsel für eine effektive Proliferation von Krebszellen umzugestalten", schreibt das Nobelpreiskomitee als Begründung zu ihrer Wahl. "Intensive Anstrengungen in akademischen Labors und Pharmaunternehmen konzentrieren sich nun auf die Entwicklung von Medikamenten, die diese Sauerstoff-Maschinerie aktivieren oder blockieren."

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