Abmahnung: FinFisher wirft Netzpolitik.org Verdachtsberichterstattung vor

Die Firma FinFisher geht gegen einen Bericht von Netzpolitik.org über eine Strafanzeige zu einem möglichen Staatstrojaner-Export vor.

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Das Team von Netzpolitik.org hat wegen eines Abmahnschreibens einen Artikel offline nehmen müssen. Darin ging es um eine Strafanzeige, die es gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Reporter ohne Grenzen und dem European Center for Constitutional and Human Rights gegen das Münchner Unternehmen FinFisher alias Gamma Group gestellt hat. Das Schreiben kam nach eigenen Angaben von Anwälten der Kanzlei Schertz-Bergmann. Laut dem Gründer des Portals, Markus Beckedahl, "droht uns für den Artikel weiterhin eine einstweilige Verfügung".

Die von der Gegenseite geforderte Unterlassungserklärung hat Netzpolitik.org der Meldung zufolge zunächst nicht unterschrieben. "Unsere Anwälte bei JBB haben auf die Abmahnung geantwortet", erläutert Beckedahl. FinFisher werfe der Redaktion "Verdachtsberichterstattung" vor, da sie die Strafanzeige als Anhang an den Text direkt mit veröffentlicht habe. Der Beitrag sei damit "auch nicht objektiv, sondern hochgradig vorverurteilend" gewesen. So würden "sämtliche Vorwürfe einseitig über die Presse weiterverbreitet und ungefiltert dem Leser zur Kenntnis gegeben".

"Entlastende Umstände werden nicht mitgeteilt", heißt es von der abmahnenden Kanzlei weiter. Eine Stellungnahme der Mandantschaft wäre "erforderlich" gewesen, sei aber "nicht einmal angefragt" worden. Netzpolitik.org hatte die Anzeige und den Text dazu gleichzeitig mit Berichten von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sowie dem BR publiziert. Auf deren Nachfrage hin wollte sich FinFisher aber zu dem Vorgang nicht äußern, erklärten die dortigen Autoren.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt im Zuge der Anzeige, ob FinFisher Staatstrojaner an die türkische Regierung geliefert hat. Die Strafverfolger reagierten damit auch auf Medienberichte, wonach türkische Oppositionelle vor wenigen Jahren offenbar mit Trojanern deutschen Ursprungs ausgespäht worden sind. Dabei soll eine als FinSpy beziehungsweise FinFisher bezeichnete Anwendung der Münchner genutzt worden sein.

Für die Anzeige wollen Informatiker der zivilgesellschaftlichen Organisation Access Now anhand forensischer Analysen des gegen die türkische Protestbewegung eingesetzten Spähprogramms und Vergleichen mit älteren bekannten Versionen von FinSpy herausgefunden haben, dass es sich "aufgrund eklatanter Ähnlichkeiten im Quellcode und in den Metadaten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um ein FinFisher-Produkt handeln müsse. Bekannt ist, dass die Firma das Bundeskriminalamt (BKA) mit einem Bundestrojaner für Online-Durchsuchungen beliefert hat.

Für unbegründet hält Beckedahl auch den Vorwurf falscher Tatsachenbehauptungen. Er habe "volles Vertrauen in die Arbeit der Ermittlungsbehörden, die unsere Schilderungen mit Fakten belegen wird". Zugleich erklärte Beckedahl: "Wir wehren uns mit unseren Anwälten notfalls auch vor Gericht, weil eine einstweilige Verfügung einem Maulkorb gleichkommen würde." Netzpolitik werde sich "nicht von der Überwachungsindustrie einschüchtern" lassen und weiterhin versuchen, die Machenschaften dieser Branche offenzulegen. Dafür sei man auf "Öffentlichkeit und Spenden" angewiesen. (emw)